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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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zu lenken,, bald seine Gefühle umzustimmen, bald Unter-
lassungen bald regelmäßige Anstrengungen sich selbst vorzu-
schreiben. Daß hievon bei den Thieren wenige oder gar
keine Spuren vorkommen, ist bekannt; in Ansehung des
menschlichen Vermögens wurde hierauf schon in der Grund-
lehre (40--43) Rücksicht genommen. Jn diesem Sinne
also werden wir ein oberes und ein unteres Vermögen an-
erkennen.

62. Wolff stellt zwischen das untere und obere Vor-
stellungsvermögen die Aufmerksamkeit (jedoch nur die
willkührliche, wahrend die unwillkührliche fast noch wichti-
ger ist). Das obere Vermögen beginnt ihm nun mit der
Deutlichkeit der Begriffe, deren Merkmale die Auf-
merksamkeit zersetzt. Diese Bestimmung ist zwar bey wei-
tem enger, als der Sprachgebrauch den Worten Verstand
und verständig ihre Sphäre zeichnet; indessen trifft sie
mit einem Theile derselben auf eine merkwürdige Weise zu-
sammen. Jndem nämlich die Aufmerksamkeit einen Begriff
verdeutlicht, hebt sie die ihm einwohnenden Theil-Vorstel-
lungen, eine nach der andern, gleichmäßig hervor; sie
ebnet gleichsam den Begriff, dessen Merkmale bisher eins
vor dem andern auf eine zufallige Art hervorragten. So ist es der Beschaffenheit des Gedachten gemäß, dem alle
seine Bestimmungen unabhängig von den Unterschieden zu-
gehören, welche das individuelle Denken dadurch hinein-
bringt, daß es gespannter ist auf dies als auf jenes Merk-
mal. Es ist also auch der anderwärts gegebenen Erklärung
des Verstandes gemäß, welche den Sinn aussagt, den der
Sprachgebrauch mit dem Worte verknüpft; nämlich: Ver-
stand sey das Vermögen, uns" Gedanken nach der Beschaf-
fenheit des Gedachten zu verknüpfen. Von dem ungleich-
mäßigen, individuellen Denken finden sich Beispiele genug
im gemeinen Leben; solche giebt das fragmentarische Wissen

zu lenken,, bald seine Gefühle umzustimmen, bald Unter-
lassungen bald regelmäßige Anstrengungen sich selbst vorzu-
schreiben. Daß hievon bei den Thieren wenige oder gar
keine Spuren vorkommen, ist bekannt; in Ansehung des
menschlichen Vermögens wurde hierauf schon in der Grund-
lehre (40—43) Rücksicht genommen. Jn diesem Sinne
also werden wir ein oberes und ein unteres Vermögen an-
erkennen.

62. Wolff stellt zwischen das untere und obere Vor-
stellungsvermögen die Aufmerksamkeit (jedoch nur die
willkührliche, wahrend die unwillkührliche fast noch wichti-
ger ist). Das obere Vermögen beginnt ihm nun mit der
Deutlichkeit der Begriffe, deren Merkmale die Auf-
merksamkeit zersetzt. Diese Bestimmung ist zwar bey wei-
tem enger, als der Sprachgebrauch den Worten Verstand
und verständig ihre Sphäre zeichnet; indessen trifft sie
mit einem Theile derselben auf eine merkwürdige Weise zu-
sammen. Jndem nämlich die Aufmerksamkeit einen Begriff
verdeutlicht, hebt sie die ihm einwohnenden Theil-Vorstel-
lungen, eine nach der andern, gleichmäßig hervor; sie
ebnet gleichsam den Begriff, dessen Merkmale bisher eins
vor dem andern auf eine zufallige Art hervorragten. So ist es der Beschaffenheit des Gedachten gemäß, dem alle
seine Bestimmungen unabhängig von den Unterschieden zu-
gehören, welche das individuelle Denken dadurch hinein-
bringt, daß es gespannter ist auf dies als auf jenes Merk-
mal. Es ist also auch der anderwärts gegebenen Erklärung
des Verstandes gemäß, welche den Sinn aussagt, den der
Sprachgebrauch mit dem Worte verknüpft; nämlich: Ver-
stand sey das Vermögen, uns« Gedanken nach der Beschaf-
fenheit des Gedachten zu verknüpfen. Von dem ungleich-
mäßigen, individuellen Denken finden sich Beispiele genug
im gemeinen Leben; solche giebt das fragmentarische Wissen

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[49/0057] zu lenken,, bald seine Gefühle umzustimmen, bald Unter- lassungen bald regelmäßige Anstrengungen sich selbst vorzu- schreiben. Daß hievon bei den Thieren wenige oder gar keine Spuren vorkommen, ist bekannt; in Ansehung des menschlichen Vermögens wurde hierauf schon in der Grund- lehre (40—43) Rücksicht genommen. Jn diesem Sinne also werden wir ein oberes und ein unteres Vermögen an- erkennen. 62. Wolff stellt zwischen das untere und obere Vor- stellungsvermögen die Aufmerksamkeit (jedoch nur die willkührliche, wahrend die unwillkührliche fast noch wichti- ger ist). Das obere Vermögen beginnt ihm nun mit der Deutlichkeit der Begriffe, deren Merkmale die Auf- merksamkeit zersetzt. Diese Bestimmung ist zwar bey wei- tem enger, als der Sprachgebrauch den Worten Verstand und verständig ihre Sphäre zeichnet; indessen trifft sie mit einem Theile derselben auf eine merkwürdige Weise zu- sammen. Jndem nämlich die Aufmerksamkeit einen Begriff verdeutlicht, hebt sie die ihm einwohnenden Theil-Vorstel- lungen, eine nach der andern, gleichmäßig hervor; sie ebnet gleichsam den Begriff, dessen Merkmale bisher eins vor dem andern auf eine zufallige Art hervorragten. So ist es der Beschaffenheit des Gedachten gemäß, dem alle seine Bestimmungen unabhängig von den Unterschieden zu- gehören, welche das individuelle Denken dadurch hinein- bringt, daß es gespannter ist auf dies als auf jenes Merk- mal. Es ist also auch der anderwärts gegebenen Erklärung des Verstandes gemäß, welche den Sinn aussagt, den der Sprachgebrauch mit dem Worte verknüpft; nämlich: Ver- stand sey das Vermögen, uns« Gedanken nach der Beschaf- fenheit des Gedachten zu verknüpfen. Von dem ungleich- mäßigen, individuellen Denken finden sich Beispiele genug im gemeinen Leben; solche giebt das fragmentarische Wissen

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/57>, abgerufen am 24.11.2024.