Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.Abweichung vom Gleichmuthe nämlich kann nach zwey Sei- 106. Die Affecten sind nicht bloß ein psychologischer, Merkwürdig ist noch der Umstand, daß den verschiede- Hieraus sieht man nun, daß es unstatthaft seyn wür- Anmerkung. Ohne hier schon die Lehre von der 1) Jede allmählige Aufregung eines Systems Abweichung vom Gleichmuthe nämlich kann nach zwey Sei- 106. Die Affecten sind nicht bloß ein psychologischer, Merkwürdig ist noch der Umstand, daß den verschiede- Hieraus sieht man nun, daß es unstatthaft seyn wür- Anmerkung. Ohne hier schon die Lehre von der 1) Jede allmählige Aufregung eines Systems <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0091" n="83"/> Abweichung vom Gleichmuthe nämlich kann nach zwey Sei-<lb/> ten geschehen, entweder es ist zu wenig oder zu vieles im<lb/> Bewußtseyn gegenwärtig. Zur ersten Klasse gehören Schreck,<lb/> Traurigkeit, Furcht, zur zweyten Freude und Zorn.</p><lb/> <p>106. Die Affecten sind nicht bloß ein psychologischer,<lb/> sondern auch ein physiologischer Gegenstand. Denn sie wir-<lb/> ken auf den Leib mit merklicher, oft gefährlicher Gewalt,<lb/> und machen eben dadurch rückwärts wiederum den Geist<lb/> vom Leibe abhängig, theils von der Dauer des leiblichen<lb/> Zustandes (der nicht so schnell aufhört, wie das Gemüth<lb/> für sich allein zur Ruhe kommen würde), theils von der<lb/> Disposition des Leibes zur Nachgiebigkeit gegen den Affect<lb/> So sind Muth und Furchtsamkeit offenbar sehr abhängig<lb/> von Gesundheit und Kränklichkeit.</p><lb/> <p>Merkwürdig ist noch der Umstand, daß den verschiede-<lb/> nen Affecten verschiedene leibliche Zustände zugehören. So<lb/> treibt die Schaam das Blut in die Wangen, die Furcht<lb/> macht erblassen, der Zorn und die Verzweiflung vermehren<lb/> die Muskelstärke, <hi rendition="#g">u. s. w.</hi></p><lb/> <p>Hieraus sieht man nun, daß es unstatthaft seyn wür-<lb/> de, die sämmtlichen möglichen Affecten nach einem bloß psy-<lb/> chologischen Princip aufzählen und unterscheiden zu wollen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Ohne hier schon die Lehre von der<lb/> Verbindung zwischen Leib und Seele naturphilosophisch vor-<lb/> zutragen, können wir sogleich die beyden vorstehenden Be-<lb/> merkungen weiter benutzen.</p><lb/> <p>1) Jede <hi rendition="#g">allmählige</hi> Aufregung eines Systems<lb/> durch ein anderes wirkt dergestalt zurück, daß von Seiten<lb/> des aufgeregten die Unruhe in dem aufregenden verlängert<lb/> wird. Nicht bloß der Leib überhaupt versetzt, nachdem<lb/> er im Affect aufgeregt wurde, hintennach den Geist in<lb/> eine längere Unruhe: sondern dies muß in den verschie-<lb/> denen Systemen des Organismus sich eben so verhalten. </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0091]
Abweichung vom Gleichmuthe nämlich kann nach zwey Sei-
ten geschehen, entweder es ist zu wenig oder zu vieles im
Bewußtseyn gegenwärtig. Zur ersten Klasse gehören Schreck,
Traurigkeit, Furcht, zur zweyten Freude und Zorn.
106. Die Affecten sind nicht bloß ein psychologischer,
sondern auch ein physiologischer Gegenstand. Denn sie wir-
ken auf den Leib mit merklicher, oft gefährlicher Gewalt,
und machen eben dadurch rückwärts wiederum den Geist
vom Leibe abhängig, theils von der Dauer des leiblichen
Zustandes (der nicht so schnell aufhört, wie das Gemüth
für sich allein zur Ruhe kommen würde), theils von der
Disposition des Leibes zur Nachgiebigkeit gegen den Affect
So sind Muth und Furchtsamkeit offenbar sehr abhängig
von Gesundheit und Kränklichkeit.
Merkwürdig ist noch der Umstand, daß den verschiede-
nen Affecten verschiedene leibliche Zustände zugehören. So
treibt die Schaam das Blut in die Wangen, die Furcht
macht erblassen, der Zorn und die Verzweiflung vermehren
die Muskelstärke, u. s. w.
Hieraus sieht man nun, daß es unstatthaft seyn wür-
de, die sämmtlichen möglichen Affecten nach einem bloß psy-
chologischen Princip aufzählen und unterscheiden zu wollen.
Anmerkung. Ohne hier schon die Lehre von der
Verbindung zwischen Leib und Seele naturphilosophisch vor-
zutragen, können wir sogleich die beyden vorstehenden Be-
merkungen weiter benutzen.
1) Jede allmählige Aufregung eines Systems
durch ein anderes wirkt dergestalt zurück, daß von Seiten
des aufgeregten die Unruhe in dem aufregenden verlängert
wird. Nicht bloß der Leib überhaupt versetzt, nachdem
er im Affect aufgeregt wurde, hintennach den Geist in
eine längere Unruhe: sondern dies muß in den verschie-
denen Systemen des Organismus sich eben so verhalten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Stefanie Seim: Nachkorrekturen.
(2013-07-05T12:13:38Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |