Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.war ja zugleich die erste Welt, die wir sahen, Und je Kleiner dieser Stamm ist, desto mehr Rous- M 2
war ja zugleich die erſte Welt, die wir ſahen, Und je Kleiner dieſer Stamm iſt, deſto mehr Rouſ- M 2
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war ja zugleich die erſte Welt, die wir ſahen,
die erſten Empfindungen, die wir fuͤhlten, die
erſte Wuͤrkſamkeit und Freude, die wir genoſſen!
Die Nebenideen von Ort und Zeit, von Liebe und
Haß, von Freude und Thaͤtigkeit, und was die
feurige, heraufwallende Jugendſeele ſich dabei
dachte, wird alles mit verewigt — nun wird die
Sprache ſchon Stamm!
Und je Kleiner dieſer Stamm iſt, deſto mehr
gewinnt er an innerer Staͤrke. Unſre Vaͤter,
die nichts ſelbſt gedacht, nichts ſelbſt erfunden;
die alles mechaniſch gelernt haben — was be-
kuͤmmern ſich die um Unterricht ihrer Soͤhne?
um Verewigung deſſen, was ſie ja ſelbſt nicht
beſitzen? Aber der erſte Vater, die erſten duͤrfti-
gen Spracherfinder, die faſt an jedem Worte die
Arbeit ihrer Seele hingaben, die uͤberall in der
Sprache noch den warmen Schweiß fuͤhlten, den
er ihrer Wuͤrkſamkeit gekoſtet — welchen Jnfor-
mator konnten die beſtellen? Die ganze Sprache
ihrer Kinder war ein Dialekt ihrer Gedanken,
ein Loblied ihrer Thaten, wie die Lieder Oßi-
ans auf ſeinen Vater Fingal.
Rouſ-
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