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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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blos die Völkerwandrung mit eine Ursache zu so
vielen Sprachen geworden.

Dies morgenländische Zeugniß, (was ich doch
überdem hier nur als Poem anführen wollte,)
dahingestellet: siehet man, daß die Vielheit der
Sprachen keinen Einwurf gegen das natürli-
che und menschliche der Fortbildung einer
Sprache
abgeben könne. Hier und da können
freilich Berge durch Erdbeben hervorgehoben
eyn; allein folgt denn daraus, daß die Erde im
Ganzen mit ihren Gebürgen und Strömen und
Meeren nicht ihre Gestalt aus Wasser könne ge-
wonnen haben? - - Nur freilich wird auch eben
damit den Etymologisten und Völkerforschern ein
nüzlicher Stein der Behutsamkeit auf die Zun-
ge gelegt, "aus den Sprachunähnlichkeiten
"nicht zu despotisch auf ihre Abstammung
zu
"schließen." Es können Familien sehr nahe ver-
wandt seyn, und doch Ursache gehabt haben, die
Verwandschaft der Wapen zu unterdrücken. --
Der Geist solcher kleinen Völker gibt dazu Ur-
sache gnug.

Vier-

blos die Voͤlkerwandrung mit eine Urſache zu ſo
vielen Sprachen geworden.

Dies morgenlaͤndiſche Zeugniß, (was ich doch
uͤberdem hier nur als Poem anfuͤhren wollte,)
dahingeſtellet: ſiehet man, daß die Vielheit der
Sprachen keinen Einwurf gegen das natuͤrli-
che und menſchliche der Fortbildung einer
Sprache
abgeben koͤnne. Hier und da koͤnnen
freilich Berge durch Erdbeben hervorgehoben
eyn; allein folgt denn daraus, daß die Erde im
Ganzen mit ihren Gebuͤrgen und Stroͤmen und
Meeren nicht ihre Geſtalt aus Waſſer koͤnne ge-
wonnen haben? ‒ ‒ Nur freilich wird auch eben
damit den Etymologiſten und Voͤlkerforſchern ein
nuͤzlicher Stein der Behutſamkeit auf die Zun-
ge gelegt, „aus den Sprachunaͤhnlichkeiten
„nicht zu deſpotiſch auf ihre Abſtammung
zu
„ſchließen.„ Es koͤnnen Familien ſehr nahe ver-
wandt ſeyn, und doch Urſache gehabt haben, die
Verwandſchaft der Wapen zu unterdruͤcken. —
Der Geiſt ſolcher kleinen Voͤlker gibt dazu Ur-
ſache gnug.

Vier-
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[202/0208] blos die Voͤlkerwandrung mit eine Urſache zu ſo vielen Sprachen geworden. Dies morgenlaͤndiſche Zeugniß, (was ich doch uͤberdem hier nur als Poem anfuͤhren wollte,) dahingeſtellet: ſiehet man, daß die Vielheit der Sprachen keinen Einwurf gegen das natuͤrli- che und menſchliche der Fortbildung einer Sprache abgeben koͤnne. Hier und da koͤnnen freilich Berge durch Erdbeben hervorgehoben eyn; allein folgt denn daraus, daß die Erde im Ganzen mit ihren Gebuͤrgen und Stroͤmen und Meeren nicht ihre Geſtalt aus Waſſer koͤnne ge- wonnen haben? ‒ ‒ Nur freilich wird auch eben damit den Etymologiſten und Voͤlkerforſchern ein nuͤzlicher Stein der Behutſamkeit auf die Zun- ge gelegt, „aus den Sprachunaͤhnlichkeiten „nicht zu deſpotiſch auf ihre Abſtammung zu „ſchließen.„ Es koͤnnen Familien ſehr nahe ver- wandt ſeyn, und doch Urſache gehabt haben, die Verwandſchaft der Wapen zu unterdruͤcken. — Der Geiſt ſolcher kleinen Voͤlker gibt dazu Ur- ſache gnug. Vier-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/208>, abgerufen am 21.11.2024.