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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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weil jene Jnstinkte nimmer völlig bärmäßig wa-
ren. Und daß das so gewesen, zeugt ja endlich die
Entwicklung der ganzen Scene. Als die Hinder-
nisse weggewälzet, als diese Bärmenschen zu ihrem
Geschlecht zurükgekehrt waren, lernten sie nicht
natürlicher aufrechtgehen und sprechen, als sie
dort, immer unnatürlich, kriechen und brummen
gelernt hatten? Dies konnten sie immer nur bär-
ähnlich; jenes lernten sie in weniger Zeit ganz
Menschlich.
Welcher ihrer vorigen Mitbrüder
des Waldes lernte das mit ihnen? Und weil es
kein Bär lernen konnte, weil er nicht Anlage des
Körpers und der Seele dazu besaß, mußte der
Menschenbär diese nicht noch immer im Zustande
seiner Verwilderung erhalten haben? Hätte sie
ihm blos Unterricht und Gewohnheit gegeben,
warum nicht dem Bären? Und was hieße es doch,
jemand durch Unterricht, Vernunft und Mensch-
lichkeit geben, der sie nicht schon hat? Vermuth-
lich hat alsdenn diese Nadel dem Auge die Seh-
kraft gegeben, dem sie die Staarhaut wegschaffet --
Was wollen wir also aus dem unnatürlichsten Falle
von der Natur schließen? Gestehen wir aber ein,

daß
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weil jene Jnſtinkte nimmer voͤllig baͤrmaͤßig wa-
ren. Und daß das ſo geweſen, zeugt ja endlich die
Entwicklung der ganzen Scene. Als die Hinder-
niſſe weggewaͤlzet, als dieſe Baͤrmenſchen zu ihrem
Geſchlecht zuruͤkgekehrt waren, lernten ſie nicht
natuͤrlicher aufrechtgehen und ſprechen, als ſie
dort, immer unnatuͤrlich, kriechen und brummen
gelernt hatten? Dies konnten ſie immer nur baͤr-
aͤhnlich; jenes lernten ſie in weniger Zeit ganz
Menſchlich.
Welcher ihrer vorigen Mitbruͤder
des Waldes lernte das mit ihnen? Und weil es
kein Baͤr lernen konnte, weil er nicht Anlage des
Koͤrpers und der Seele dazu beſaß, mußte der
Menſchenbaͤr dieſe nicht noch immer im Zuſtande
ſeiner Verwilderung erhalten haben? Haͤtte ſie
ihm blos Unterricht und Gewohnheit gegeben,
warum nicht dem Baͤren? Und was hieße es doch,
jemand durch Unterricht, Vernunft und Menſch-
lichkeit geben, der ſie nicht ſchon hat? Vermuth-
lich hat alsdenn dieſe Nadel dem Auge die Seh-
kraft gegeben, dem ſie die Staarhaut wegſchaffet —
Was wollen wir alſo aus dem unnatuͤrlichſten Falle
von der Natur ſchließen? Geſtehen wir aber ein,

daß
E 2
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[67/0073] weil jene Jnſtinkte nimmer voͤllig baͤrmaͤßig wa- ren. Und daß das ſo geweſen, zeugt ja endlich die Entwicklung der ganzen Scene. Als die Hinder- niſſe weggewaͤlzet, als dieſe Baͤrmenſchen zu ihrem Geſchlecht zuruͤkgekehrt waren, lernten ſie nicht natuͤrlicher aufrechtgehen und ſprechen, als ſie dort, immer unnatuͤrlich, kriechen und brummen gelernt hatten? Dies konnten ſie immer nur baͤr- aͤhnlich; jenes lernten ſie in weniger Zeit ganz Menſchlich. Welcher ihrer vorigen Mitbruͤder des Waldes lernte das mit ihnen? Und weil es kein Baͤr lernen konnte, weil er nicht Anlage des Koͤrpers und der Seele dazu beſaß, mußte der Menſchenbaͤr dieſe nicht noch immer im Zuſtande ſeiner Verwilderung erhalten haben? Haͤtte ſie ihm blos Unterricht und Gewohnheit gegeben, warum nicht dem Baͤren? Und was hieße es doch, jemand durch Unterricht, Vernunft und Menſch- lichkeit geben, der ſie nicht ſchon hat? Vermuth- lich hat alsdenn dieſe Nadel dem Auge die Seh- kraft gegeben, dem ſie die Staarhaut wegſchaffet — Was wollen wir alſo aus dem unnatuͤrlichſten Falle von der Natur ſchließen? Geſtehen wir aber ein, daß E 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/73>, abgerufen am 26.11.2024.