Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.Sterbeliedchen und dem Windessausen, wie Eben
Sterbeliedchen und dem Windesſauſen, wie Eben
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0106" n="102"/> Sterbeliedchen und dem Windesſauſen, wie<lb/> die Art der Suͤnde und Leidenſchaft ſelbſt —<lb/> ſein Eintritt, Rede ans Nachtlicht u. ſ. w.<lb/> waͤre es moͤglich, doch das in Worte zu faſ-<lb/> ſen, wie das Alles zu Einer Welt der Trauer-<lb/> begebenheit lebendig und innig gehoͤre —<lb/> aber es iſt nicht moͤglich. Kein elendes Far-<lb/> bengemaͤlde laͤßt ſich durch Worte beſchreiben<lb/> oder herſtellen, und wie die Empfindung Ei-<lb/> ner lebendigen Welt in allen Scenen, Um-<lb/> ſtaͤnden und Zaubereyen der Natur. Gehe,<lb/> mein Leſer, was du willt, <hi rendition="#fr">Lear</hi> und die <hi rendition="#fr">Ri-<lb/> chards, Caͤſar</hi> und die <hi rendition="#fr">Heinrichs,</hi> ſelbſt<lb/> Zauberſtuͤcke und Divertiſſements, inſonder-<lb/> heit <hi rendition="#fr">Romeo,</hi> das ſuͤſſe Stuͤck der Liebe, auch<lb/> Roman in jedem Zeitumſtande, und Ort und<lb/> Traum und Dichtung — gehe es durch, ver-<lb/> ſuche Etwas der Art wegzunehmen, zu tau-<lb/> ſchen, es gar auf ein franzoͤſiſches Brettern-<lb/> geruͤſte zu ſimplificiren — eine lebendige Welt<lb/> mit allem Urkundlichen ihrer Wahrheit in<lb/> dies Geruͤſte verwandelt — ſchoͤner Tauſch!<lb/> ſchoͤne Wandlung! Nimm dieſer Pflanze<lb/> ihren Boden, Saft und Kraft, und pflanze<lb/> ſie in die Luft: nimm dieſem Menſchen Ort,<lb/> Zeit, individuelle Beſtandheit — du haſt<lb/> ihm Othem und Seele genommen, und iſt<lb/> ein Bild vom Geſchoͤpf.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Eben</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0106]
Sterbeliedchen und dem Windesſauſen, wie
die Art der Suͤnde und Leidenſchaft ſelbſt —
ſein Eintritt, Rede ans Nachtlicht u. ſ. w.
waͤre es moͤglich, doch das in Worte zu faſ-
ſen, wie das Alles zu Einer Welt der Trauer-
begebenheit lebendig und innig gehoͤre —
aber es iſt nicht moͤglich. Kein elendes Far-
bengemaͤlde laͤßt ſich durch Worte beſchreiben
oder herſtellen, und wie die Empfindung Ei-
ner lebendigen Welt in allen Scenen, Um-
ſtaͤnden und Zaubereyen der Natur. Gehe,
mein Leſer, was du willt, Lear und die Ri-
chards, Caͤſar und die Heinrichs, ſelbſt
Zauberſtuͤcke und Divertiſſements, inſonder-
heit Romeo, das ſuͤſſe Stuͤck der Liebe, auch
Roman in jedem Zeitumſtande, und Ort und
Traum und Dichtung — gehe es durch, ver-
ſuche Etwas der Art wegzunehmen, zu tau-
ſchen, es gar auf ein franzoͤſiſches Brettern-
geruͤſte zu ſimplificiren — eine lebendige Welt
mit allem Urkundlichen ihrer Wahrheit in
dies Geruͤſte verwandelt — ſchoͤner Tauſch!
ſchoͤne Wandlung! Nimm dieſer Pflanze
ihren Boden, Saft und Kraft, und pflanze
ſie in die Luft: nimm dieſem Menſchen Ort,
Zeit, individuelle Beſtandheit — du haſt
ihm Othem und Seele genommen, und iſt
ein Bild vom Geſchoͤpf.
Eben
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