Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Shakespear ganz gefühlt hat, den
Einfall gehabt, jenen ehrlichen Fishmonger
von Hofmann, mit grauen Bart und Run-
zelgesicht, triefenden Augen und seinem plen-
tiful lak of wit together with weak Hams,

das Kind Polonius zum Aristoteles des
Dichters zu machen, und die Reihe von Alt
und Cals, die er in seinem Geschwätz weg-
sprudelt, zur ernsten Classification aller Stücke
vorzuschlagen. Jch zweifle. Shakespear
hat freylich die Tücke, leere locos commu-
nes,
Moralen und Classificationen, die auf
hundert Fälle angewandt, auf alle und keinen
recht passen, am liebsten Kindern und Nar-
ren in den Mund zu legen; und eines neuen
Stobaei und Florilegii, oder Cornu co-
piae
von Shakespears Weisheit, wie die
Engländer theils schon haben und wir Deut-
sche Gottlob! neulich auch hätten haben sol-
len -- deren würde sich solch ein Polonius,
und Launcelot, Arlequin und Narr,
blöder Richard, oder aufgeblasner Ritter-
könig
am meisten zu erfreuen haben, weil
jeder ganze, gesunde Mensch bey ihm nie mehr
zu sprechen hat, als er aus Mund in Hand
braucht, aber doch zweifle ich hier noch. Po-
lonius soll hier wahrscheinlich nur das alte
Kind seyn, das Wolken für Kameele und
Kameele für Baßgeigen ansieht, in seiner

Ju-

ſeinen Shakeſpear ganz gefuͤhlt hat, den
Einfall gehabt, jenen ehrlichen Fiſhmonger
von Hofmann, mit grauen Bart und Run-
zelgeſicht, triefenden Augen und ſeinem plen-
tiful lak of wit together with weak Hams,

das Kind Polonius zum Ariſtoteles des
Dichters zu machen, und die Reihe von Alt
und Cals, die er in ſeinem Geſchwaͤtz weg-
ſprudelt, zur ernſten Claſſification aller Stuͤcke
vorzuſchlagen. Jch zweifle. Shakeſpear
hat freylich die Tuͤcke, leere locos commu-
nes,
Moralen und Claſſificationen, die auf
hundert Faͤlle angewandt, auf alle und keinen
recht paſſen, am liebſten Kindern und Nar-
ren in den Mund zu legen; und eines neuen
Stobæi und Florilegii, oder Cornu co-
piæ
von Shakeſpears Weisheit, wie die
Englaͤnder theils ſchon haben und wir Deut-
ſche Gottlob! neulich auch haͤtten haben ſol-
len — deren wuͤrde ſich ſolch ein Polonius,
und Launcelot, Arlequin und Narr,
bloͤder Richard, oder aufgeblaſner Ritter-
koͤnig
am meiſten zu erfreuen haben, weil
jeder ganze, geſunde Menſch bey ihm nie mehr
zu ſprechen hat, als er aus Mund in Hand
braucht, aber doch zweifle ich hier noch. Po-
lonius ſoll hier wahrſcheinlich nur das alte
Kind ſeyn, das Wolken fuͤr Kameele und
Kameele fuͤr Baßgeigen anſieht, in ſeiner

Ju-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="110"/>
&#x017F;einen <hi rendition="#fr">Shake&#x017F;pear</hi> ganz gefu&#x0364;hlt hat, den<lb/>
Einfall gehabt, jenen ehrlichen Fi&#x017F;hmonger<lb/>
von Hofmann, mit grauen Bart und Run-<lb/>
zelge&#x017F;icht, triefenden Augen und &#x017F;einem <hi rendition="#aq">plen-<lb/>
tiful lak of wit together with weak Hams,</hi><lb/>
das Kind <hi rendition="#fr">Polonius</hi> zum Ari&#x017F;toteles des<lb/>
Dichters zu machen, und die Reihe von Alt<lb/>
und <hi rendition="#aq">Cals,</hi> die er in &#x017F;einem Ge&#x017F;chwa&#x0364;tz weg-<lb/>
&#x017F;prudelt, zur ern&#x017F;ten Cla&#x017F;&#x017F;ification aller Stu&#x0364;cke<lb/>
vorzu&#x017F;chlagen. Jch zweifle. <hi rendition="#fr">Shake&#x017F;pear</hi><lb/>
hat freylich die Tu&#x0364;cke, leere <hi rendition="#aq">locos commu-<lb/>
nes,</hi> Moralen und Cla&#x017F;&#x017F;ificationen, die auf<lb/>
hundert Fa&#x0364;lle angewandt, auf alle und keinen<lb/>
recht pa&#x017F;&#x017F;en, am lieb&#x017F;ten Kindern und Nar-<lb/>
ren in den Mund zu legen; und eines neuen<lb/><hi rendition="#aq">Stobæi</hi> und <hi rendition="#aq">Florilegii,</hi> oder <hi rendition="#aq">Cornu co-<lb/>
piæ</hi> von Shake&#x017F;pears Weisheit, wie die<lb/>
Engla&#x0364;nder theils &#x017F;chon haben und wir Deut-<lb/>
&#x017F;che Gottlob! neulich auch ha&#x0364;tten haben &#x017F;ol-<lb/>
len &#x2014; deren wu&#x0364;rde &#x017F;ich &#x017F;olch ein <hi rendition="#fr">Polonius,</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Launcelot, Arlequin</hi> und <hi rendition="#fr">Narr,</hi><lb/>
blo&#x0364;der <hi rendition="#fr">Richard,</hi> oder aufgebla&#x017F;ner <hi rendition="#fr">Ritter-<lb/>
ko&#x0364;nig</hi> am mei&#x017F;ten zu erfreuen haben, weil<lb/>
jeder ganze, ge&#x017F;unde Men&#x017F;ch bey ihm nie mehr<lb/>
zu &#x017F;prechen hat, als er aus Mund in Hand<lb/>
braucht, aber doch zweifle ich hier noch. Po-<lb/>
lonius &#x017F;oll hier wahr&#x017F;cheinlich nur das alte<lb/>
Kind &#x017F;eyn, das Wolken fu&#x0364;r Kameele und<lb/>
Kameele fu&#x0364;r Baßgeigen an&#x017F;ieht, in &#x017F;einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ju-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0114] ſeinen Shakeſpear ganz gefuͤhlt hat, den Einfall gehabt, jenen ehrlichen Fiſhmonger von Hofmann, mit grauen Bart und Run- zelgeſicht, triefenden Augen und ſeinem plen- tiful lak of wit together with weak Hams, das Kind Polonius zum Ariſtoteles des Dichters zu machen, und die Reihe von Alt und Cals, die er in ſeinem Geſchwaͤtz weg- ſprudelt, zur ernſten Claſſification aller Stuͤcke vorzuſchlagen. Jch zweifle. Shakeſpear hat freylich die Tuͤcke, leere locos commu- nes, Moralen und Claſſificationen, die auf hundert Faͤlle angewandt, auf alle und keinen recht paſſen, am liebſten Kindern und Nar- ren in den Mund zu legen; und eines neuen Stobæi und Florilegii, oder Cornu co- piæ von Shakeſpears Weisheit, wie die Englaͤnder theils ſchon haben und wir Deut- ſche Gottlob! neulich auch haͤtten haben ſol- len — deren wuͤrde ſich ſolch ein Polonius, und Launcelot, Arlequin und Narr, bloͤder Richard, oder aufgeblaſner Ritter- koͤnig am meiſten zu erfreuen haben, weil jeder ganze, geſunde Menſch bey ihm nie mehr zu ſprechen hat, als er aus Mund in Hand braucht, aber doch zweifle ich hier noch. Po- lonius ſoll hier wahrſcheinlich nur das alte Kind ſeyn, das Wolken fuͤr Kameele und Kameele fuͤr Baßgeigen anſieht, in ſeiner Ju-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/114
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/114>, abgerufen am 25.11.2024.