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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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sey, wo der Autor nur aus Uebersetzung und
höchstens Wortansicht translatirte, zumal
endlich wie solch Geschwätz, ausser dem viel-
leicht, was es hie und da sage, so wenig Mu-
ster seyn könne und wolle, wie etwas der Art
in der Welt zu sagen sey? Ueberhaupt schien
damals die lyrische Natur, zu der auch Ossian
gebrochne Endtöne liefert, dem Briefwechs-
ler, noch so fernher zu tönen, daß er na-
türlich in die Mine des Lauschers fallen muste,
der zu hören glaubt, wo andre vielleicht nichts
hören, oder das sausende Kind der Lüfte.

Glücklich, daß er alle seinen kritischen
Wahn- und Ahndungsglauben jetzt durch Ei-
ne Erscheinung (*) übertroffen sieht, der er
mit Pindarischem Schwunge seinen Kranz
zuwerfen wollte, wenn der Kranz nicht dahin
verdorrte. Kein kritischer Schöpfeimer, und
alle Fässer der Danaiden geben Wasser, wo
kein Quell ist -- und es ist und wird ewig
allein jener wunderthätige Huf des Flügel-
rosses von Genie bleiben, der anschlägt und
der siebenfache Quell strömet.

Siebenfacher Quell! Wenn deutsches Ohr
noch mehr als Wortklanges und Sylbenbaues
fähig ist! wenns kein Mährchen vom ersten
April seyn und bleiben darf, daß die Göttin
Harmonie

---- des
(*) Oden, bey Bode 1771. Die vorigen Flicke vom
Aufsatz waren Jahre vorher dem Verf. entkommen.

ſey, wo der Autor nur aus Ueberſetzung und
hoͤchſtens Wortanſicht translatirte, zumal
endlich wie ſolch Geſchwaͤtz, auſſer dem viel-
leicht, was es hie und da ſage, ſo wenig Mu-
ſter ſeyn koͤnne und wolle, wie etwas der Art
in der Welt zu ſagen ſey? Ueberhaupt ſchien
damals die lyriſche Natur, zu der auch Oſſian
gebrochne Endtoͤne liefert, dem Briefwechs-
ler, noch ſo fernher zu toͤnen, daß er na-
tuͤrlich in die Mine des Lauſchers fallen muſte,
der zu hoͤren glaubt, wo andre vielleicht nichts
hoͤren, oder das ſauſende Kind der Luͤfte.

Gluͤcklich, daß er alle ſeinen kritiſchen
Wahn- und Ahndungsglauben jetzt durch Ei-
ne Erſcheinung (*) uͤbertroffen ſieht, der er
mit Pindariſchem Schwunge ſeinen Kranz
zuwerfen wollte, wenn der Kranz nicht dahin
verdorrte. Kein kritiſcher Schoͤpfeimer, und
alle Faͤſſer der Danaiden geben Waſſer, wo
kein Quell iſt — und es iſt und wird ewig
allein jener wunderthaͤtige Huf des Fluͤgel-
roſſes von Genie bleiben, der anſchlaͤgt und
der ſiebenfache Quell ſtroͤmet.

Siebenfacher Quell! Wenn deutſches Ohr
noch mehr als Wortklanges und Sylbenbaues
faͤhig iſt! wenns kein Maͤhrchen vom erſten
April ſeyn und bleiben darf, daß die Goͤttin
Harmonie

—— des
(*) Oden, bey Bode 1771. Die vorigen Flicke vom
Aufſatz waren Jahre vorher dem Verf. entkommen.
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[114/0118] ſey, wo der Autor nur aus Ueberſetzung und hoͤchſtens Wortanſicht translatirte, zumal endlich wie ſolch Geſchwaͤtz, auſſer dem viel- leicht, was es hie und da ſage, ſo wenig Mu- ſter ſeyn koͤnne und wolle, wie etwas der Art in der Welt zu ſagen ſey? Ueberhaupt ſchien damals die lyriſche Natur, zu der auch Oſſian gebrochne Endtoͤne liefert, dem Briefwechs- ler, noch ſo fernher zu toͤnen, daß er na- tuͤrlich in die Mine des Lauſchers fallen muſte, der zu hoͤren glaubt, wo andre vielleicht nichts hoͤren, oder das ſauſende Kind der Luͤfte. Gluͤcklich, daß er alle ſeinen kritiſchen Wahn- und Ahndungsglauben jetzt durch Ei- ne Erſcheinung (*) uͤbertroffen ſieht, der er mit Pindariſchem Schwunge ſeinen Kranz zuwerfen wollte, wenn der Kranz nicht dahin verdorrte. Kein kritiſcher Schoͤpfeimer, und alle Faͤſſer der Danaiden geben Waſſer, wo kein Quell iſt — und es iſt und wird ewig allein jener wunderthaͤtige Huf des Fluͤgel- roſſes von Genie bleiben, der anſchlaͤgt und der ſiebenfache Quell ſtroͤmet. Siebenfacher Quell! Wenn deutſches Ohr noch mehr als Wortklanges und Sylbenbaues faͤhig iſt! wenns kein Maͤhrchen vom erſten April ſeyn und bleiben darf, daß die Goͤttin Harmonie —— des (*) Oden, bey Bode 1771. Die vorigen Flicke vom Aufſatz waren Jahre vorher dem Verf. entkommen.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/118>, abgerufen am 25.11.2024.