Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Gaben dabey auf Nicht ungleich jenem
Tuche, das dem heil. Apostel aus den Wolken
herab gelassen ward, voll reiner und unreiner
Thiere; so auch voll Blumen, Blüthen, Blät-
ter, auch wohl dürres Gras und Moos und
über Nacht geschoßne Schwämme, das alles
ich auf dem Spaziergang durch unbedeutende
Gegenden, kalt zu meinem Zeitvertreib bota-
nisirend eingesammelt, dir nun zu Ehren der
Verwesung weihe.



Es ist im kleinen Geschmack, sagt der Jta-
liäner, und geht vorbey. Kindereyen lallt
der Franzose nach, und schnellt triumphirend
auf seine Dose a la Greque. Was habt
ihr gethan, daß ihr verachten dürft?

Hat nicht der, seinem Grab entsteigende
Genius der Alten, den deinen gefesselt, Wel-
scher! Krochst an den mächtigen Resten Ver-
hältnisse zu betteln, flicktest aus den heiligen
Trümmern dir Lusthäuser zusammen, und
hältst dich für Verwahrer der Kunstgeheim-
nisse, weil du auf Zoll und Linien von Rie-
sengebäuden Rechenschaft geben kannst. Hät-
test du mehr gefühlt als gemessen, wäre der
Geist der Massen über dich gekommen, die
du anstauntest, du hättest nicht so nur nach-
geahmt, weil sie's thaten und es schön ist;
nothwendig und wahr hättest du deine Plane

geschaf-

mit Gaben dabey auf Nicht ungleich jenem
Tuche, das dem heil. Apoſtel aus den Wolken
herab gelaſſen ward, voll reiner und unreiner
Thiere; ſo auch voll Blumen, Bluͤthen, Blaͤt-
ter, auch wohl duͤrres Gras und Moos und
uͤber Nacht geſchoßne Schwaͤmme, das alles
ich auf dem Spaziergang durch unbedeutende
Gegenden, kalt zu meinem Zeitvertreib bota-
niſirend eingeſammelt, dir nun zu Ehren der
Verweſung weihe.



Es iſt im kleinen Geſchmack, ſagt der Jta-
liaͤner, und geht vorbey. Kindereyen lallt
der Franzoſe nach, und ſchnellt triumphirend
auf ſeine Doſe a la Greque. Was habt
ihr gethan, daß ihr verachten duͤrft?

Hat nicht der, ſeinem Grab entſteigende
Genius der Alten, den deinen gefeſſelt, Wel-
ſcher! Krochſt an den maͤchtigen Reſten Ver-
haͤltniſſe zu betteln, flickteſt aus den heiligen
Truͤmmern dir Luſthaͤuſer zuſammen, und
haͤltſt dich fuͤr Verwahrer der Kunſtgeheim-
niſſe, weil du auf Zoll und Linien von Rie-
ſengebaͤuden Rechenſchaft geben kannſt. Haͤt-
teſt du mehr gefuͤhlt als gemeſſen, waͤre der
Geiſt der Maſſen uͤber dich gekommen, die
du anſtaunteſt, du haͤtteſt nicht ſo nur nach-
geahmt, weil ſie’s thaten und es ſchoͤn iſt;
nothwendig und wahr haͤtteſt du deine Plane

geſchaf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="123"/>
mit Gaben dabey auf Nicht ungleich jenem<lb/>
Tuche, das dem heil. Apo&#x017F;tel aus den Wolken<lb/>
herab gela&#x017F;&#x017F;en ward, voll reiner und unreiner<lb/>
Thiere; &#x017F;o auch voll Blumen, Blu&#x0364;then, Bla&#x0364;t-<lb/>
ter, auch wohl du&#x0364;rres Gras und Moos und<lb/>
u&#x0364;ber Nacht ge&#x017F;choßne Schwa&#x0364;mme, das alles<lb/>
ich auf dem Spaziergang durch unbedeutende<lb/>
Gegenden, kalt zu meinem Zeitvertreib bota-<lb/>
ni&#x017F;irend einge&#x017F;ammelt, dir nun zu Ehren der<lb/>
Verwe&#x017F;ung weihe.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t im kleinen Ge&#x017F;chmack, &#x017F;agt der Jta-<lb/>
lia&#x0364;ner, und geht vorbey. Kindereyen lallt<lb/>
der Franzo&#x017F;e nach, und &#x017F;chnellt triumphirend<lb/>
auf &#x017F;eine Do&#x017F;e <hi rendition="#aq">a la Greque.</hi> Was habt<lb/>
ihr gethan, daß ihr verachten du&#x0364;rft?</p><lb/>
          <p>Hat nicht der, &#x017F;einem Grab ent&#x017F;teigende<lb/>
Genius der Alten, den deinen gefe&#x017F;&#x017F;elt, Wel-<lb/>
&#x017F;cher! Kroch&#x017F;t an den ma&#x0364;chtigen Re&#x017F;ten Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu betteln, flickte&#x017F;t aus den heiligen<lb/>
Tru&#x0364;mmern dir Lu&#x017F;tha&#x0364;u&#x017F;er zu&#x017F;ammen, und<lb/>
ha&#x0364;lt&#x017F;t dich fu&#x0364;r Verwahrer der Kun&#x017F;tgeheim-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, weil du auf Zoll und Linien von Rie-<lb/>
&#x017F;engeba&#x0364;uden Rechen&#x017F;chaft geben kann&#x017F;t. Ha&#x0364;t-<lb/>
te&#x017F;t du mehr gefu&#x0364;hlt als geme&#x017F;&#x017F;en, wa&#x0364;re der<lb/>
Gei&#x017F;t der Ma&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;ber dich gekommen, die<lb/>
du an&#x017F;taunte&#x017F;t, du ha&#x0364;tte&#x017F;t nicht &#x017F;o nur nach-<lb/>
geahmt, weil &#x017F;ie&#x2019;s thaten und es &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t;<lb/>
nothwendig und wahr ha&#x0364;tte&#x017F;t du deine Plane<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;chaf-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0127] mit Gaben dabey auf Nicht ungleich jenem Tuche, das dem heil. Apoſtel aus den Wolken herab gelaſſen ward, voll reiner und unreiner Thiere; ſo auch voll Blumen, Bluͤthen, Blaͤt- ter, auch wohl duͤrres Gras und Moos und uͤber Nacht geſchoßne Schwaͤmme, das alles ich auf dem Spaziergang durch unbedeutende Gegenden, kalt zu meinem Zeitvertreib bota- niſirend eingeſammelt, dir nun zu Ehren der Verweſung weihe. Es iſt im kleinen Geſchmack, ſagt der Jta- liaͤner, und geht vorbey. Kindereyen lallt der Franzoſe nach, und ſchnellt triumphirend auf ſeine Doſe a la Greque. Was habt ihr gethan, daß ihr verachten duͤrft? Hat nicht der, ſeinem Grab entſteigende Genius der Alten, den deinen gefeſſelt, Wel- ſcher! Krochſt an den maͤchtigen Reſten Ver- haͤltniſſe zu betteln, flickteſt aus den heiligen Truͤmmern dir Luſthaͤuſer zuſammen, und haͤltſt dich fuͤr Verwahrer der Kunſtgeheim- niſſe, weil du auf Zoll und Linien von Rie- ſengebaͤuden Rechenſchaft geben kannſt. Haͤt- teſt du mehr gefuͤhlt als gemeſſen, waͤre der Geiſt der Maſſen uͤber dich gekommen, die du anſtaunteſt, du haͤtteſt nicht ſo nur nach- geahmt, weil ſie’s thaten und es ſchoͤn iſt; nothwendig und wahr haͤtteſt du deine Plane geſchaf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/127
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/127>, abgerufen am 26.11.2024.