fortzuführen -- am besten also, wo er mir in die Hände fällt.
Die Anmerkungen, die Sie "über das Dra- matische in den alten Liedern" dieser Art machen, ist so nach meinem Sinn, daß ichs mir immer mit unter dem Charakterstücken der Alten gedacht habe, die wir Neuere so wenig er- reichen, als ein todtes momentarisches Ge- mälde eine fortgehende, handelnde, lebendige Scene. Jenes sind unsre Oden; dies die ly- rischen Stücke der Alten, insonderheit wilder Völker. Alle Reden und Gedichte derselben sind Handlung: Lesen Sie z. E. im Charle- voix selbst die unvorbereitete Kriegs-und Frie- densrede des Eskimaux: es ist alles in ihr Bild, Strophe, Scene! Was für Handlung in Odins Höllenfahrt, im Webegesange der Valkyriur, im Beschwörungsliede der Hervor, und bey Ossian auf jeder Seite, in jedem Stücke! Damit Sie nun nicht wie- der sagen, daß ich Jhnen viel nenne und nichts gebe: so mache ich mit Abtragung meiner Schuld den Anfang, und lege Jhnen, zumal ich jetzt zu schreiben, nicht mehr Zeit habe, ein paar der genannten bey. Jch hätte sie Jhnen so neu aufstutzen und idealisiren können: denn blieben sie ja aber nicht mehr, was sie jetzt sind, und eben | am Alengo der Bildsäule, am dun-
keln,
fortzufuͤhren — am beſten alſo, wo er mir in die Haͤnde faͤllt.
Die Anmerkungen, die Sie „uͤber das Dra- matiſche in den alten Liedern‟ dieſer Art machen, iſt ſo nach meinem Sinn, daß ichs mir immer mit unter dem Charakterſtuͤcken der Alten gedacht habe, die wir Neuere ſo wenig er- reichen, als ein todtes momentariſches Ge- maͤlde eine fortgehende, handelnde, lebendige Scene. Jenes ſind unſre Oden; dies die ly- riſchen Stuͤcke der Alten, inſonderheit wilder Voͤlker. Alle Reden und Gedichte derſelben ſind Handlung: Leſen Sie z. E. im Charle- voix ſelbſt die unvorbereitete Kriegs-und Frie- densrede des Eskimaux: es iſt alles in ihr Bild, Strophe, Scene! Was fuͤr Handlung in Odins Hoͤllenfahrt, im Webegeſange der Valkyriur, im Beſchwoͤrungsliede der Hervor, und bey Oſſian auf jeder Seite, in jedem Stuͤcke! Damit Sie nun nicht wie- der ſagen, daß ich Jhnen viel nenne und nichts gebe: ſo mache ich mit Abtragung meiner Schuld den Anfang, und lege Jhnen, zumal ich jetzt zu ſchreiben, nicht mehr Zeit habe, ein paar der genannten bey. Jch haͤtte ſie Jhnen ſo neu aufſtutzen und idealiſiren koͤnnen: denn blieben ſie ja aber nicht mehr, was ſie jetzt ſind, und eben | am Alengo der Bildſaͤule, am dun-
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fortzufuͤhren — am beſten alſo, wo er mir in
die Haͤnde faͤllt.
Die Anmerkungen, die Sie „uͤber das Dra-
matiſche in den alten Liedern‟ dieſer
Art machen, iſt ſo nach meinem Sinn, daß ichs
mir immer mit unter dem Charakterſtuͤcken der
Alten gedacht habe, die wir Neuere ſo wenig er-
reichen, als ein todtes momentariſches Ge-
maͤlde eine fortgehende, handelnde, lebendige
Scene. Jenes ſind unſre Oden; dies die ly-
riſchen Stuͤcke der Alten, inſonderheit wilder
Voͤlker. Alle Reden und Gedichte derſelben
ſind Handlung: Leſen Sie z. E. im Charle-
voix ſelbſt die unvorbereitete Kriegs-und Frie-
densrede des Eskimaux: es iſt alles in ihr
Bild, Strophe, Scene! Was fuͤr Handlung
in Odins Hoͤllenfahrt, im Webegeſange
der Valkyriur, im Beſchwoͤrungsliede
der Hervor, und bey Oſſian auf jeder Seite,
in jedem Stuͤcke! Damit Sie nun nicht wie-
der ſagen, daß ich Jhnen viel nenne und nichts
gebe: ſo mache ich mit Abtragung meiner
Schuld den Anfang, und lege Jhnen, zumal
ich jetzt zu ſchreiben, nicht mehr Zeit habe, ein
paar der genannten bey. Jch haͤtte ſie Jhnen
ſo neu aufſtutzen und idealiſiren koͤnnen: denn
blieben ſie ja aber nicht mehr, was ſie jetzt ſind,
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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/35>, abgerufen am 16.07.2024.
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