Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.Würde, mit Wohlklang, mit Schönheit zu paa- und C 5
Wuͤrde, mit Wohlklang, mit Schoͤnheit zu paa- und C 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="41"/> Wuͤrde, mit Wohlklang, mit Schoͤnheit zu paa-<lb/> ren wußten; und da ſie alſo Seele und Mund<lb/> in den feſten Bund gebracht hatten, ſich einan-<lb/> der nicht zu verwirren, ſondern zu unterſtuͤtzen,<lb/> beyzuhelfen: ſo entſtanden daher jene fuͤr uns<lb/> halbe Wunderwerke von αοιδοισ, Saͤngern,<lb/> Barden, Minſtrels, wie die groͤßten Dichter<lb/> der aͤltſten Zeiten waren. <hi rendition="#fr">Homers</hi> Rhapſo-<lb/> dien und <hi rendition="#fr">Oſſians</hi> Lieder waren gleichſam <hi rendition="#aq">im<lb/> promptus,</hi> weil man damals noch von Nichts<lb/> als <hi rendition="#aq">impromptus</hi> der Rede wußte: dem letz-<lb/> tern ſind die Minſtrels, wiewohl ſo ſchwach<lb/> und entfernt, gefolgt; indeſſen doch gefolgt,<lb/> bis endlich die Kunſt kam und die Natur aus-<lb/> loͤſchte. Jn fremden Sprachen quaͤlte man<lb/> ſich von Jugend auf Quantitaͤten von Sylben<lb/> kennen zu lernen, die uns nicht mehr Ohr und<lb/> Natur zu fuͤhlen gibt: nach Regeln zu arbeiten,<lb/> deren wenigſte, ein Genie, als Naturregeln<lb/> anerkennet; uͤber Gegenſtaͤnde zu dichten, uͤber<lb/> die ſich nichts denken, noch weniger <hi rendition="#fr">ſinnen,</hi><lb/> noch weniger imaginiren laͤßt; Leidenſchaften<lb/> zu erkuͤnſteln, die wir nicht haben, Seelen-<lb/> kraͤfte nachzuahmen, die wir nicht beſitzen —<lb/> und endlich wurde Alles Falſchheit, Schwaͤche,<lb/> und Kuͤnſteley. Selbſt jeder beſte Kopf ward<lb/> verwirret, und verlohr Feſtigkeit des Auges,<lb/> und der Hand, Sicherheit des Gedankens und<lb/> des Ausdrucks: mithin die wahre Lebhaftigkeit<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 5</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0045]
Wuͤrde, mit Wohlklang, mit Schoͤnheit zu paa-
ren wußten; und da ſie alſo Seele und Mund
in den feſten Bund gebracht hatten, ſich einan-
der nicht zu verwirren, ſondern zu unterſtuͤtzen,
beyzuhelfen: ſo entſtanden daher jene fuͤr uns
halbe Wunderwerke von αοιδοισ, Saͤngern,
Barden, Minſtrels, wie die groͤßten Dichter
der aͤltſten Zeiten waren. Homers Rhapſo-
dien und Oſſians Lieder waren gleichſam im
promptus, weil man damals noch von Nichts
als impromptus der Rede wußte: dem letz-
tern ſind die Minſtrels, wiewohl ſo ſchwach
und entfernt, gefolgt; indeſſen doch gefolgt,
bis endlich die Kunſt kam und die Natur aus-
loͤſchte. Jn fremden Sprachen quaͤlte man
ſich von Jugend auf Quantitaͤten von Sylben
kennen zu lernen, die uns nicht mehr Ohr und
Natur zu fuͤhlen gibt: nach Regeln zu arbeiten,
deren wenigſte, ein Genie, als Naturregeln
anerkennet; uͤber Gegenſtaͤnde zu dichten, uͤber
die ſich nichts denken, noch weniger ſinnen,
noch weniger imaginiren laͤßt; Leidenſchaften
zu erkuͤnſteln, die wir nicht haben, Seelen-
kraͤfte nachzuahmen, die wir nicht beſitzen —
und endlich wurde Alles Falſchheit, Schwaͤche,
und Kuͤnſteley. Selbſt jeder beſte Kopf ward
verwirret, und verlohr Feſtigkeit des Auges,
und der Hand, Sicherheit des Gedankens und
des Ausdrucks: mithin die wahre Lebhaftigkeit
und
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