Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.ja der Stücke nicht schämen; denn die dreusten Und wenn die Glocke verliert ihren Ton sagen Sie, ist der Zug nicht elegisch und Da ich weiß, daß dieser Brief keinem von setzen, D 3
ja der Stuͤcke nicht ſchaͤmen; denn die dreuſten Und wenn die Glocke verliert ihren Ton ſagen Sie, iſt der Zug nicht elegiſch und Da ich weiß, daß dieſer Brief keinem von ſetzen, D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="53"/> ja der Stuͤcke nicht ſchaͤmen; denn die dreuſten<lb/> Englaͤnder haben ſich z. E. nicht ſchaͤmen wol-<lb/> len und doͤrfen. Selbſt die Melodie des ihnen<lb/> einmal angefuͤhrten: <hi rendition="#aq">Come away, come<lb/> away, death!</hi> erinnere ich mich einmal dun-<lb/> kel gehoͤrt zu haben, und noch nicht vor langer<lb/> Zeit erinnere ich mich eines Bettlerliedes, das<lb/> an Jnhalt ſo gemiſcht und voll Spruͤnge war,<lb/> und in ſeiner ſehr lyriſchen alten Melodie ſo<lb/> traurig toͤnte. — Unter ihrem Jammer kam<lb/> die Saͤngerin, eine <hi rendition="#fr">Penia</hi> felbſt, im halben<lb/> Gebetston aufs Ende ihres Lebens, wenn ſie<lb/><hi rendition="#fr">der bittre Tod uͤberwaͤnde,</hi> und ihr (ich<lb/> glaube es iſt Gewohnheit oder Ausdruck) <hi rendition="#fr">die<lb/> Fuͤſſe baͤnde;</hi> endlich kaͤmen 4 oder 6 Leute,<lb/> die ſie von Hauſe nnd Freunden weg, unter dem<lb/> Schall der Todtenglocke, in ihr Grab trugen —</p><lb/> <cit> <quote>Und wenn die Glocke verliert ihren Ton<lb/> So haben meine Freunde vergeſſen mich ſchon! —</quote> <bibl/> </cit><lb/> <p>ſagen Sie, iſt der Zug nicht elegiſch und<lb/> ruͤhrend?</p><lb/> <p>Da ich weiß, daß dieſer Brief keinem von<lb/> den eckeln Herren unſrer Zeit in die Haͤnde kom-<lb/> men wird, die uͤber einen veralteten Reim oder<lb/> Ausdruck gleich rumpfen! Da ich weiß, daß<lb/> Sie uͤberall mit mir mehr Natur, als Kunſt<lb/> ſuchen: ſo trage ich kein Bedenken, Jhnen z.<lb/> E. aus einer Sammlung ſchlechter Handwerks-<lb/> lieder, ein ſehnend-trauriges Liebeslied hinzu-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſetzen,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0057]
ja der Stuͤcke nicht ſchaͤmen; denn die dreuſten
Englaͤnder haben ſich z. E. nicht ſchaͤmen wol-
len und doͤrfen. Selbſt die Melodie des ihnen
einmal angefuͤhrten: Come away, come
away, death! erinnere ich mich einmal dun-
kel gehoͤrt zu haben, und noch nicht vor langer
Zeit erinnere ich mich eines Bettlerliedes, das
an Jnhalt ſo gemiſcht und voll Spruͤnge war,
und in ſeiner ſehr lyriſchen alten Melodie ſo
traurig toͤnte. — Unter ihrem Jammer kam
die Saͤngerin, eine Penia felbſt, im halben
Gebetston aufs Ende ihres Lebens, wenn ſie
der bittre Tod uͤberwaͤnde, und ihr (ich
glaube es iſt Gewohnheit oder Ausdruck) die
Fuͤſſe baͤnde; endlich kaͤmen 4 oder 6 Leute,
die ſie von Hauſe nnd Freunden weg, unter dem
Schall der Todtenglocke, in ihr Grab trugen —
Und wenn die Glocke verliert ihren Ton
So haben meine Freunde vergeſſen mich ſchon! —
ſagen Sie, iſt der Zug nicht elegiſch und
ruͤhrend?
Da ich weiß, daß dieſer Brief keinem von
den eckeln Herren unſrer Zeit in die Haͤnde kom-
men wird, die uͤber einen veralteten Reim oder
Ausdruck gleich rumpfen! Da ich weiß, daß
Sie uͤberall mit mir mehr Natur, als Kunſt
ſuchen: ſo trage ich kein Bedenken, Jhnen z.
E. aus einer Sammlung ſchlechter Handwerks-
lieder, ein ſehnend-trauriges Liebeslied hinzu-
ſetzen,
D 3
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