Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.wahrheit, mit dem köstlichen Zwecke, sie der lung F 4
wahrheit, mit dem koͤſtlichen Zwecke, ſie der lung F 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="87"/> wahrheit, mit dem koͤſtlichen Zwecke, ſie der<lb/> zweyſtaͤndigen Vorſtellung auf einem Bret-<lb/> terngeruͤſte faͤhig und aͤhnlich zu machen, wohl<lb/> einer <hi rendition="#fr">Nachbildung</hi> gleich‟ oder uͤberge-<lb/> ſchaͤtzt werden koͤnne, die in gewiſſem Be-<lb/> tracht die hoͤchſte Nationalnatur war? ob<lb/> eine Dichtung, deren Ganzes eigentlich (und<lb/> da wird ſich jeder Franzoſe winden oder vor-<lb/> bey ſingen muͤſſen) <hi rendition="#fr">gar keinen Zweck</hi> hat —<lb/> das Gute iſt nach dem Bekaͤnntniß der beſten<lb/> Philoſophen nur eine Nachleſe im Detail — ob<lb/> die einer <hi rendition="#fr">Landesanſtalt</hi> gleichgeſchaͤtzt wer-<lb/> den kann, wo in jedem kleinen Umſtande<lb/> Wuͤrkung, hoͤchſte, ſchwerſte Bildung lag?<lb/> Ob endlich nicht eine Zeit kommen muͤſte, da<lb/> man, wie die meiſten und kuͤnſtlichſten Stuͤcke<lb/><hi rendition="#fr">Corneillens</hi> ſchon vergeſſen ſind, <hi rendition="#fr">Krebil-<lb/> lon</hi> und <hi rendition="#fr">Voltaire</hi> mit der Bewundrung an-<lb/> ſehen wird, mit der man jetzt die <hi rendition="#fr">Aſtraͤa</hi> des<lb/><hi rendition="#fr">Hrn. von Urfe,</hi> und alle <hi rendition="#fr">Clelien</hi> und <hi rendition="#fr">Aſpa-<lb/> ſien</hi> der Ritterzeit anſieht, „voll Kopf und<lb/> „Weisheit! voll Erfindung und Arbeit! es<lb/> „waͤre aus ihnen ſo viel! viel zu lernen —<lb/> „aber Schade! daß es in der <hi rendition="#fr">Aſtraͤa</hi> und<lb/> „<hi rendition="#fr">Klelia</hi> iſt.„ Das Ganze ihrer Kunſt iſt<lb/> ohne Natur! iſt abentheuerlich! iſt eckel! —<lb/> Gluͤcklich wenn wir im Geſchmack der Wahr-<lb/> heit ſchon an der Zeit waͤren! Das ganze<lb/> franzoͤſiſche Drama haͤtte ſich in eine Samm-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">lung</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0091]
wahrheit, mit dem koͤſtlichen Zwecke, ſie der
zweyſtaͤndigen Vorſtellung auf einem Bret-
terngeruͤſte faͤhig und aͤhnlich zu machen, wohl
einer Nachbildung gleich‟ oder uͤberge-
ſchaͤtzt werden koͤnne, die in gewiſſem Be-
tracht die hoͤchſte Nationalnatur war? ob
eine Dichtung, deren Ganzes eigentlich (und
da wird ſich jeder Franzoſe winden oder vor-
bey ſingen muͤſſen) gar keinen Zweck hat —
das Gute iſt nach dem Bekaͤnntniß der beſten
Philoſophen nur eine Nachleſe im Detail — ob
die einer Landesanſtalt gleichgeſchaͤtzt wer-
den kann, wo in jedem kleinen Umſtande
Wuͤrkung, hoͤchſte, ſchwerſte Bildung lag?
Ob endlich nicht eine Zeit kommen muͤſte, da
man, wie die meiſten und kuͤnſtlichſten Stuͤcke
Corneillens ſchon vergeſſen ſind, Krebil-
lon und Voltaire mit der Bewundrung an-
ſehen wird, mit der man jetzt die Aſtraͤa des
Hrn. von Urfe, und alle Clelien und Aſpa-
ſien der Ritterzeit anſieht, „voll Kopf und
„Weisheit! voll Erfindung und Arbeit! es
„waͤre aus ihnen ſo viel! viel zu lernen —
„aber Schade! daß es in der Aſtraͤa und
„Klelia iſt.„ Das Ganze ihrer Kunſt iſt
ohne Natur! iſt abentheuerlich! iſt eckel! —
Gluͤcklich wenn wir im Geſchmack der Wahr-
heit ſchon an der Zeit waͤren! Das ganze
franzoͤſiſche Drama haͤtte ſich in eine Samm-
lung
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