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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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phibien, die ihnen am nächsten kommen, folgten nach ihnen.
Jn der Luft, im Wasser, in den Morästen, im Sande ver-
mehrten sich die Geschlechter und Arten; und ich glaube,
daß sie sich bei weitern Entdeckungen immer ungefähr in dem
nämlichen Verhältniß vermehren werden. Wenn nach Lin-
neus Tode die Arten der Säugthiere bis auf 450 gewach-
sen; so rechnet Buffon auf 2000 Vögel und Forster allein
entdeckte auf einigen Jnseln des Südmeers in einem kurzen
Aufenthalt 109 neue Arten derselben, wo es durchaus keine
neuzuentdeckende Landthiere gab. Gehet dieses Verhältniß
fort und es werden künftig mehr neue Jnsekten, Vögel, Ge-
würme, als völlig neue Gattungen der Landthiere bekannt
werden, so viel ihrer auch in dem noch undurchreiseten Afrika
seyn mögen; so können wir nach aller Wahrscheinlichkeit den
Satz annehmen: Die Classen der Geschöpfe erweitern
sich, je mehr sie sich vom Menschen entfernen; je nä-
her ihm, desto weniger werden die Gattungen der so-
genannten vollkommenern Thiere.

2. Nun ist unläugbar, daß bei aller Verschiedenheit
der lebendigen Erdwesen überall eine gewisse Einförmigkeit
des Baues und gleichsam Eine Hauptform zu herrschen
scheine, die in der reichsten Verschiedenheit wechselt. Der
ähnliche Knochenbau der Landthiere fällt in die Augen: Kopf,


Rumpf,

phibien, die ihnen am naͤchſten kommen, folgten nach ihnen.
Jn der Luft, im Waſſer, in den Moraͤſten, im Sande ver-
mehrten ſich die Geſchlechter und Arten; und ich glaube,
daß ſie ſich bei weitern Entdeckungen immer ungefaͤhr in dem
naͤmlichen Verhaͤltniß vermehren werden. Wenn nach Lin-
neus Tode die Arten der Saͤugthiere bis auf 450 gewach-
ſen; ſo rechnet Buffon auf 2000 Voͤgel und Forſter allein
entdeckte auf einigen Jnſeln des Suͤdmeers in einem kurzen
Aufenthalt 109 neue Arten derſelben, wo es durchaus keine
neuzuentdeckende Landthiere gab. Gehet dieſes Verhaͤltniß
fort und es werden kuͤnftig mehr neue Jnſekten, Voͤgel, Ge-
wuͤrme, als voͤllig neue Gattungen der Landthiere bekannt
werden, ſo viel ihrer auch in dem noch undurchreiſeten Afrika
ſeyn moͤgen; ſo koͤnnen wir nach aller Wahrſcheinlichkeit den
Satz annehmen: Die Claſſen der Geſchoͤpfe erweitern
ſich, je mehr ſie ſich vom Menſchen entfernen; je naͤ-
her ihm, deſto weniger werden die Gattungen der ſo-
genannten vollkommenern Thiere.

2. Nun iſt unlaͤugbar, daß bei aller Verſchiedenheit
der lebendigen Erdweſen uͤberall eine gewiſſe Einfoͤrmigkeit
des Baues und gleichſam Eine Hauptform zu herrſchen
ſcheine, die in der reichſten Verſchiedenheit wechſelt. Der
aͤhnliche Knochenbau der Landthiere faͤllt in die Augen: Kopf,


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[88/0110] phibien, die ihnen am naͤchſten kommen, folgten nach ihnen. Jn der Luft, im Waſſer, in den Moraͤſten, im Sande ver- mehrten ſich die Geſchlechter und Arten; und ich glaube, daß ſie ſich bei weitern Entdeckungen immer ungefaͤhr in dem naͤmlichen Verhaͤltniß vermehren werden. Wenn nach Lin- neus Tode die Arten der Saͤugthiere bis auf 450 gewach- ſen; ſo rechnet Buffon auf 2000 Voͤgel und Forſter allein entdeckte auf einigen Jnſeln des Suͤdmeers in einem kurzen Aufenthalt 109 neue Arten derſelben, wo es durchaus keine neuzuentdeckende Landthiere gab. Gehet dieſes Verhaͤltniß fort und es werden kuͤnftig mehr neue Jnſekten, Voͤgel, Ge- wuͤrme, als voͤllig neue Gattungen der Landthiere bekannt werden, ſo viel ihrer auch in dem noch undurchreiſeten Afrika ſeyn moͤgen; ſo koͤnnen wir nach aller Wahrſcheinlichkeit den Satz annehmen: Die Claſſen der Geſchoͤpfe erweitern ſich, je mehr ſie ſich vom Menſchen entfernen; je naͤ- her ihm, deſto weniger werden die Gattungen der ſo- genannten vollkommenern Thiere. 2. Nun iſt unlaͤugbar, daß bei aller Verſchiedenheit der lebendigen Erdweſen uͤberall eine gewiſſe Einfoͤrmigkeit des Baues und gleichſam Eine Hauptform zu herrſchen ſcheine, die in der reichſten Verſchiedenheit wechſelt. Der aͤhnliche Knochenbau der Landthiere faͤllt in die Augen: Kopf, Rumpf,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/110>, abgerufen am 02.05.2024.