schon einen kleinen Tritt über die Dumpfheit des unförmli- chen Seehundes erhoben. So gehets aus dem Staube der Würmer, aus den Kalkhäusern der Muschelthiere, aus den Gespinnsten der Jnsekten allmälich in mehr gegliederte, hö- here Organisationen. Durch die Amphibien gehets zu den Landthieren hinauf und unter diesen ist selbst bei dem ab- scheulichen Unau mit seinen drei Fingern und zwei Vorder- brüsten schon das nähere Analogon unsrer Gestalt sichtbar. Nun spielet die Natur und übet sich rings um den Menschen im größesten Mancherlei der Anlagen und Organisationen. Sie vertheilte die Lebensarten und Triebe, bildete die Ge- schlechter einander feindlich; indeß alle diese Scheinwider- sprüche zu Einem Ziel führen. Es ist also anatomisch und physiologisch wahr, daß durch die ganze belebte Schöpfung unsrer Erde das Analogon Einer Organisation herrsche; nur also, daß je entfernter vom Menschen, je mehr das Ele- ment des Lebens der Geschöpfe von ihm absteht, die sich im- mer gleiche Natur auch in ihren Organisationen das Haupt- bild verlassen mußte. Je näher ihm, desto mehr zog sie Classen und Radien zusammen, um in seinem, dem heiligen Mittel- punkt der Erdeschöpfung was sie kann, zu vereinen. Freue dich deines Standes o Mensch und studire dich, edles Mit- telgeschöpf, in allem, was um dich lebet.
Drit-
ſchon einen kleinen Tritt uͤber die Dumpfheit des unfoͤrmli- chen Seehundes erhoben. So gehets aus dem Staube der Wuͤrmer, aus den Kalkhaͤuſern der Muſchelthiere, aus den Geſpinnſten der Jnſekten allmaͤlich in mehr gegliederte, hoͤ- here Organiſationen. Durch die Amphibien gehets zu den Landthieren hinauf und unter dieſen iſt ſelbſt bei dem ab- ſcheulichen Unau mit ſeinen drei Fingern und zwei Vorder- bruͤſten ſchon das naͤhere Analogon unſrer Geſtalt ſichtbar. Nun ſpielet die Natur und uͤbet ſich rings um den Menſchen im groͤßeſten Mancherlei der Anlagen und Organiſationen. Sie vertheilte die Lebensarten und Triebe, bildete die Ge- ſchlechter einander feindlich; indeß alle dieſe Scheinwider- ſpruͤche zu Einem Ziel fuͤhren. Es iſt alſo anatomiſch und phyſiologiſch wahr, daß durch die ganze belebte Schoͤpfung unſrer Erde das Analogon Einer Organiſation herrſche; nur alſo, daß je entfernter vom Menſchen, je mehr das Ele- ment des Lebens der Geſchoͤpfe von ihm abſteht, die ſich im- mer gleiche Natur auch in ihren Organiſationen das Haupt- bild verlaſſen mußte. Je naͤher ihm, deſto mehr zog ſie Claſſen und Radien zuſammen, um in ſeinem, dem heiligen Mittel- punkt der Erdeſchoͤpfung was ſie kann, zu vereinen. Freue dich deines Standes o Menſch und ſtudire dich, edles Mit- telgeſchoͤpf, in allem, was um dich lebet.
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ſchon einen kleinen Tritt uͤber die Dumpfheit des unfoͤrmli-
chen Seehundes erhoben. So gehets aus dem Staube der
Wuͤrmer, aus den Kalkhaͤuſern der Muſchelthiere, aus den
Geſpinnſten der Jnſekten allmaͤlich in mehr gegliederte, hoͤ-
here Organiſationen. Durch die Amphibien gehets zu den
Landthieren hinauf und unter dieſen iſt ſelbſt bei dem ab-
ſcheulichen Unau mit ſeinen drei Fingern und zwei Vorder-
bruͤſten ſchon das naͤhere Analogon unſrer Geſtalt ſichtbar.
Nun ſpielet die Natur und uͤbet ſich rings um den Menſchen
im groͤßeſten Mancherlei der Anlagen und Organiſationen.
Sie vertheilte die Lebensarten und Triebe, bildete die Ge-
ſchlechter einander feindlich; indeß alle dieſe Scheinwider-
ſpruͤche zu Einem Ziel fuͤhren. Es iſt alſo anatomiſch und
phyſiologiſch wahr, daß durch die ganze belebte Schoͤpfung
unſrer Erde das Analogon Einer Organiſation herrſche;
nur alſo, daß je entfernter vom Menſchen, je mehr das Ele-
ment des Lebens der Geſchoͤpfe von ihm abſteht, die ſich im-
mer gleiche Natur auch in ihren Organiſationen das Haupt-
bild verlaſſen mußte. Je naͤher ihm, deſto mehr zog ſie Claſſen
und Radien zuſammen, um in ſeinem, dem heiligen Mittel-
punkt der Erdeſchoͤpfung was ſie kann, zu vereinen. Freue
dich deines Standes o Menſch und ſtudire dich, edles Mit-
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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