einzelner, zumal dem Menschen nahen Geschöpfen nicht Auf- schlüsse über ihren Jnstinkt und Charakter, über das Ver- hältniß der Gattungen gegen einander, zuletzt und am mei- sten über die Ursachen des Vorzuges der Menschen vor den Thieren gäbe: so wüßte ich nicht, woher man physische Auf- schlüsse nehmen sollte. Und glücklicher Weise gehen jetzt die Camper, Wrisberg, Wolf, Sömmerings und so viel andre forschende Zergliederer auf diesem geistigen physiologi- schen Wege der Vergleichung mehrerer Geschlechter in den Kräften der Werkzeuge ihres organischen Lebens. -- -- Jch setze meinem Zweck gemäß einige Hauptgrundsätze voraus, die die folgenden Betrachtungen über die inwohnenden orga- nischen Kräfte verschiedner Wesen und zuletzt des Menschen einleiten mögen: denn ohne sie ist keine gründliche Uebersicht der Menschennatur in ihren Mängeln und Vollkommenhei- ten möglich.
1. Wo Wirkung in der Natur ist, muß wirkende Kraft seyn; wo Reiz sich in Bestrebungen oder gar in Krämpfen zeigt, da muß auch Reiz von innen ge- fühlt werden. Sollten diese Sätze nicht gelten: so hört aller Zusammenhang der Bemerkungen; alle Analogie der Natur auf.
2. Nie-
einzelner, zumal dem Menſchen nahen Geſchoͤpfen nicht Auf- ſchluͤſſe uͤber ihren Jnſtinkt und Charakter, uͤber das Ver- haͤltniß der Gattungen gegen einander, zuletzt und am mei- ſten uͤber die Urſachen des Vorzuges der Menſchen vor den Thieren gaͤbe: ſo wuͤßte ich nicht, woher man phyſiſche Auf- ſchluͤſſe nehmen ſollte. Und gluͤcklicher Weiſe gehen jetzt die Camper, Wrisberg, Wolf, Soͤmmerings und ſo viel andre forſchende Zergliederer auf dieſem geiſtigen phyſiologi- ſchen Wege der Vergleichung mehrerer Geſchlechter in den Kraͤften der Werkzeuge ihres organiſchen Lebens. — — Jch ſetze meinem Zweck gemaͤß einige Hauptgrundſaͤtze voraus, die die folgenden Betrachtungen uͤber die inwohnenden orga- niſchen Kraͤfte verſchiedner Weſen und zuletzt des Menſchen einleiten moͤgen: denn ohne ſie iſt keine gruͤndliche Ueberſicht der Menſchennatur in ihren Maͤngeln und Vollkommenhei- ten moͤglich.
1. Wo Wirkung in der Natur iſt, muß wirkende Kraft ſeyn; wo Reiz ſich in Beſtrebungen oder gar in Kraͤmpfen zeigt, da muß auch Reiz von innen ge- fuͤhlt werden. Sollten dieſe Saͤtze nicht gelten: ſo hoͤrt aller Zuſammenhang der Bemerkungen; alle Analogie der Natur auf.
2. Nie-
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einzelner, zumal dem Menſchen nahen Geſchoͤpfen nicht Auf-
ſchluͤſſe uͤber ihren Jnſtinkt und Charakter, uͤber das Ver-
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ſten uͤber die Urſachen des Vorzuges der Menſchen vor den
Thieren gaͤbe: ſo wuͤßte ich nicht, woher man phyſiſche Auf-
ſchluͤſſe nehmen ſollte. Und gluͤcklicher Weiſe gehen jetzt die
Camper, Wrisberg, Wolf, Soͤmmerings und ſo viel
andre forſchende Zergliederer auf dieſem geiſtigen phyſiologi-
ſchen Wege der Vergleichung mehrerer Geſchlechter in den
Kraͤften der Werkzeuge ihres organiſchen Lebens. — — Jch
ſetze meinem Zweck gemaͤß einige Hauptgrundſaͤtze voraus,
die die folgenden Betrachtungen uͤber die inwohnenden orga-
niſchen Kraͤfte verſchiedner Weſen und zuletzt des Menſchen
einleiten moͤgen: denn ohne ſie iſt keine gruͤndliche Ueberſicht
der Menſchennatur in ihren Maͤngeln und Vollkommenhei-
ten moͤglich.
1. Wo Wirkung in der Natur iſt, muß wirkende
Kraft ſeyn; wo Reiz ſich in Beſtrebungen oder gar
in Kraͤmpfen zeigt, da muß auch Reiz von innen ge-
fuͤhlt werden. Sollten dieſe Saͤtze nicht gelten: ſo hoͤrt
aller Zuſammenhang der Bemerkungen; alle Analogie der
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/136>, abgerufen am 02.05.2024.
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