1. Daß Kraft und Organ zwar innigst verbunden, nicht aber Eins und dasselbe sei. Die Materie unsres Körpers war da; aber Gestalt- und Leblos, ehe sie die or- ganischen Kräfte bildeten und belebten.
2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmonisch: denn sie hat sich dasselbe zur Offenbarung ihres Wesens nur zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allmächtige ihr zuführte und in deren Hülle er sie gleichsam einwies.
3. Wenn die Hülle wegfällt: so bleibt die Kraft, die voraus, obwohl in einem niedrigern Zustande und eben- falls organisch, dennoch vor dieser Hülle schon existirte. Wars möglich, daß sie aus ihrem vorigen in diesen Zustand übergehen konnte: so ist ihr auch bei dieser Enthüllung ein neuer Uebergang möglich. Fürs Medium wird der sorgen, der sie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte.
Und sollte uns die sich immergleiche Natur nicht schon einen Wink über das Medium gegeben haben, indem alle Kräfte der Schöpfung würken? Jn den tiefsten Abgründen des Werdens, wo wir keimendes Leben sehen, werden wir das unerforschte und so wirksame Element gewahr, das wir mit den unvollkommenen Namen Licht, Aether, Lebens-
wärme
K k
1. Daß Kraft und Organ zwar innigſt verbunden, nicht aber Eins und daſſelbe ſei. Die Materie unſres Koͤrpers war da; aber Geſtalt- und Leblos, ehe ſie die or- ganiſchen Kraͤfte bildeten und belebten.
2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmoniſch: denn ſie hat ſich daſſelbe zur Offenbarung ihres Weſens nur zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allmaͤchtige ihr zufuͤhrte und in deren Huͤlle er ſie gleichſam einwies.
3. Wenn die Huͤlle wegfaͤllt: ſo bleibt die Kraft, die voraus, obwohl in einem niedrigern Zuſtande und eben- falls organiſch, dennoch vor dieſer Huͤlle ſchon exiſtirte. Wars moͤglich, daß ſie aus ihrem vorigen in dieſen Zuſtand uͤbergehen konnte: ſo iſt ihr auch bei dieſer Enthuͤllung ein neuer Uebergang moͤglich. Fuͤrs Medium wird der ſorgen, der ſie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte.
Und ſollte uns die ſich immergleiche Natur nicht ſchon einen Wink uͤber das Medium gegeben haben, indem alle Kraͤfte der Schoͤpfung wuͤrken? Jn den tiefſten Abgruͤnden des Werdens, wo wir keimendes Leben ſehen, werden wir das unerforſchte und ſo wirkſame Element gewahr, das wir mit den unvollkommenen Namen Licht, Aether, Lebens-
waͤrme
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[277[257]/0279]
1. Daß Kraft und Organ zwar innigſt verbunden,
nicht aber Eins und daſſelbe ſei. Die Materie unſres
Koͤrpers war da; aber Geſtalt- und Leblos, ehe ſie die or-
ganiſchen Kraͤfte bildeten und belebten.
2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmoniſch:
denn ſie hat ſich daſſelbe zur Offenbarung ihres Weſens nur
zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allmaͤchtige
ihr zufuͤhrte und in deren Huͤlle er ſie gleichſam einwies.
3. Wenn die Huͤlle wegfaͤllt: ſo bleibt die Kraft,
die voraus, obwohl in einem niedrigern Zuſtande und eben-
falls organiſch, dennoch vor dieſer Huͤlle ſchon exiſtirte.
Wars moͤglich, daß ſie aus ihrem vorigen in dieſen Zuſtand
uͤbergehen konnte: ſo iſt ihr auch bei dieſer Enthuͤllung ein
neuer Uebergang moͤglich. Fuͤrs Medium wird der ſorgen,
der ſie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte.
Und ſollte uns die ſich immergleiche Natur nicht ſchon
einen Wink uͤber das Medium gegeben haben, indem alle
Kraͤfte der Schoͤpfung wuͤrken? Jn den tiefſten Abgruͤnden
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 277[257]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/279>, abgerufen am 27.11.2024.
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