Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Daß Kraft und Organ zwar innigst verbunden,
nicht aber Eins und dasselbe sei
. Die Materie unsres
Körpers war da; aber Gestalt- und Leblos, ehe sie die or-
ganischen Kräfte bildeten und belebten.

2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmonisch:
denn sie hat sich dasselbe zur Offenbarung ihres Wesens nur
zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allmächtige
ihr zuführte und in deren Hülle er sie gleichsam einwies.

3. Wenn die Hülle wegfällt: so bleibt die Kraft,
die voraus
, obwohl in einem niedrigern Zustande und eben-
falls organisch, dennoch vor dieser Hülle schon existirte.
Wars möglich, daß sie aus ihrem vorigen in diesen Zustand
übergehen konnte: so ist ihr auch bei dieser Enthüllung ein
neuer Uebergang möglich. Fürs Medium wird der sorgen,
der sie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte.

Und sollte uns die sich immergleiche Natur nicht schon
einen Wink über das Medium gegeben haben, indem alle
Kräfte der Schöpfung würken? Jn den tiefsten Abgründen
des Werdens, wo wir keimendes Leben sehen, werden wir
das unerforschte und so wirksame Element gewahr, das wir
mit den unvollkommenen Namen Licht, Aether, Lebens-

wärme
K k

1. Daß Kraft und Organ zwar innigſt verbunden,
nicht aber Eins und daſſelbe ſei
. Die Materie unſres
Koͤrpers war da; aber Geſtalt- und Leblos, ehe ſie die or-
ganiſchen Kraͤfte bildeten und belebten.

2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmoniſch:
denn ſie hat ſich daſſelbe zur Offenbarung ihres Weſens nur
zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allmaͤchtige
ihr zufuͤhrte und in deren Huͤlle er ſie gleichſam einwies.

3. Wenn die Huͤlle wegfaͤllt: ſo bleibt die Kraft,
die voraus
, obwohl in einem niedrigern Zuſtande und eben-
falls organiſch, dennoch vor dieſer Huͤlle ſchon exiſtirte.
Wars moͤglich, daß ſie aus ihrem vorigen in dieſen Zuſtand
uͤbergehen konnte: ſo iſt ihr auch bei dieſer Enthuͤllung ein
neuer Uebergang moͤglich. Fuͤrs Medium wird der ſorgen,
der ſie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte.

Und ſollte uns die ſich immergleiche Natur nicht ſchon
einen Wink uͤber das Medium gegeben haben, indem alle
Kraͤfte der Schoͤpfung wuͤrken? Jn den tiefſten Abgruͤnden
des Werdens, wo wir keimendes Leben ſehen, werden wir
das unerforſchte und ſo wirkſame Element gewahr, das wir
mit den unvollkommenen Namen Licht, Aether, Lebens-

waͤrme
K k
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0279" n="277[257]"/>
          <p>1. <hi rendition="#fr">Daß Kraft und Organ zwar innig&#x017F;t verbunden,<lb/>
nicht aber Eins und da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ei</hi>. Die Materie un&#x017F;res<lb/>
Ko&#x0364;rpers war da; aber Ge&#x017F;talt- und Leblos, ehe &#x017F;ie die or-<lb/>
gani&#x017F;chen Kra&#x0364;fte bildeten und belebten.</p><lb/>
          <p>2. <hi rendition="#fr">Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmoni&#x017F;ch</hi>:<lb/>
denn &#x017F;ie hat &#x017F;ich da&#x017F;&#x017F;elbe zur Offenbarung ihres We&#x017F;ens nur<lb/>
zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allma&#x0364;chtige<lb/>
ihr zufu&#x0364;hrte und in deren Hu&#x0364;lle er &#x017F;ie gleich&#x017F;am einwies.</p><lb/>
          <p>3. Wenn die Hu&#x0364;lle wegfa&#x0364;llt: &#x017F;o <hi rendition="#fr">bleibt die Kraft,<lb/>
die voraus</hi>, obwohl in einem niedrigern Zu&#x017F;tande und eben-<lb/>
falls organi&#x017F;ch, <hi rendition="#fr">dennoch vor die&#x017F;er Hu&#x0364;lle &#x017F;chon exi&#x017F;tirte</hi>.<lb/>
Wars mo&#x0364;glich, daß &#x017F;ie aus ihrem vorigen in die&#x017F;en Zu&#x017F;tand<lb/>
u&#x0364;bergehen konnte: &#x017F;o i&#x017F;t ihr auch bei die&#x017F;er Enthu&#x0364;llung ein<lb/>
neuer Uebergang mo&#x0364;glich. Fu&#x0364;rs Medium wird der &#x017F;orgen,<lb/>
der &#x017F;ie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte.</p><lb/>
          <p>Und &#x017F;ollte uns die &#x017F;ich immergleiche Natur nicht &#x017F;chon<lb/>
einen Wink u&#x0364;ber das Medium gegeben haben, indem alle<lb/>
Kra&#x0364;fte der Scho&#x0364;pfung wu&#x0364;rken? Jn den tief&#x017F;ten Abgru&#x0364;nden<lb/>
des Werdens, wo wir keimendes Leben &#x017F;ehen, werden wir<lb/>
das unerfor&#x017F;chte und &#x017F;o wirk&#x017F;ame Element gewahr, das wir<lb/>
mit den unvollkommenen Namen <hi rendition="#fr">Licht, Aether, Lebens-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k</fw><fw place="bottom" type="catch">wa&#x0364;rme</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277[257]/0279] 1. Daß Kraft und Organ zwar innigſt verbunden, nicht aber Eins und daſſelbe ſei. Die Materie unſres Koͤrpers war da; aber Geſtalt- und Leblos, ehe ſie die or- ganiſchen Kraͤfte bildeten und belebten. 2. Jede Kraft wirkt ihrem Organ harmoniſch: denn ſie hat ſich daſſelbe zur Offenbarung ihres Weſens nur zugebildet, Sie aßimilirte die Theile, die der Allmaͤchtige ihr zufuͤhrte und in deren Huͤlle er ſie gleichſam einwies. 3. Wenn die Huͤlle wegfaͤllt: ſo bleibt die Kraft, die voraus, obwohl in einem niedrigern Zuſtande und eben- falls organiſch, dennoch vor dieſer Huͤlle ſchon exiſtirte. Wars moͤglich, daß ſie aus ihrem vorigen in dieſen Zuſtand uͤbergehen konnte: ſo iſt ihr auch bei dieſer Enthuͤllung ein neuer Uebergang moͤglich. Fuͤrs Medium wird der ſorgen, der ſie, und zwar viel unvollkommener, hieher brachte. Und ſollte uns die ſich immergleiche Natur nicht ſchon einen Wink uͤber das Medium gegeben haben, indem alle Kraͤfte der Schoͤpfung wuͤrken? Jn den tiefſten Abgruͤnden des Werdens, wo wir keimendes Leben ſehen, werden wir das unerforſchte und ſo wirkſame Element gewahr, das wir mit den unvollkommenen Namen Licht, Aether, Lebens- waͤrme K k

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/279
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 277[257]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/279>, abgerufen am 10.05.2024.