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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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abermals, mit welchem feinen Zuge der Finger der Allmacht
alle Umwälzungen und Schattirungen auf der Erde umschrie-
ben und bezirkt hat. Nur eine kleine andre Richtung der
Erde zur Sonne und alles auf ihr wäre anders.

Abgemeßne Mannichfaltigkeit also ist auch hier das Ge-
setz der bildenden Kunst des Weltschöpfers. Es war ihm
nicht gnug, daß die Erde in Licht und Schatten, daß das
menschliche Leben in Tag und Nacht vertheilt würde; auch
das Jahr unsers Geschlechts sollte abwechseln und nur eini-
ge Tage erließ er uns am Herbst und Winter. Hiernach
wurde auch die Länge und Kürze des menschlichen Lebens,
mithin das Maas unsrer Kräfte, die Revolutionen des
menschlichen Alters, die Abwechselungen unsrer Geschäfte,
Phänomene und Gedanken, die Nichtigkeit oder Dauer un-
srer Entschlüße und Thaten bestimmt: denn alles dies, wer-
den wir sehen, ist zuletzt an dies einfache Gesetz der Tages-
und Jahrszeiten gebunden. Lebte der Mensch länger, wäre
die Kraft, der Zweck, der Genuß seines Lebens weniger wech-
selnd und zerstreut, eilte nicht die Natur so periodisch mit
ihm, wie sie mit allen Erscheinungen der Jahrszeiten um
ihn eilet: so fände freilich zwar weder die große Extension
des Menschenreichs auf der Erde, und noch weniger das Ge-
wirre von Scenen statt, das uns jetzt die Geschicht darbent:


auf

abermals, mit welchem feinen Zuge der Finger der Allmacht
alle Umwaͤlzungen und Schattirungen auf der Erde umſchrie-
ben und bezirkt hat. Nur eine kleine andre Richtung der
Erde zur Sonne und alles auf ihr waͤre anders.

Abgemeßne Mannichfaltigkeit alſo iſt auch hier das Ge-
ſetz der bildenden Kunſt des Weltſchoͤpfers. Es war ihm
nicht gnug, daß die Erde in Licht und Schatten, daß das
menſchliche Leben in Tag und Nacht vertheilt wuͤrde; auch
das Jahr unſers Geſchlechts ſollte abwechſeln und nur eini-
ge Tage erließ er uns am Herbſt und Winter. Hiernach
wurde auch die Laͤnge und Kuͤrze des menſchlichen Lebens,
mithin das Maas unſrer Kraͤfte, die Revolutionen des
menſchlichen Alters, die Abwechſelungen unſrer Geſchaͤfte,
Phaͤnomene und Gedanken, die Nichtigkeit oder Dauer un-
ſrer Entſchluͤße und Thaten beſtimmt: denn alles dies, wer-
den wir ſehen, iſt zuletzt an dies einfache Geſetz der Tages-
und Jahrszeiten gebunden. Lebte der Menſch laͤnger, waͤre
die Kraft, der Zweck, der Genuß ſeines Lebens weniger wech-
ſelnd und zerſtreut, eilte nicht die Natur ſo periodiſch mit
ihm, wie ſie mit allen Erſcheinungen der Jahrszeiten um
ihn eilet: ſo faͤnde freilich zwar weder die große Extenſion
des Menſchenreichs auf der Erde, und noch weniger das Ge-
wirre von Scenen ſtatt, das uns jetzt die Geſchicht darbent:


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[28/0050] abermals, mit welchem feinen Zuge der Finger der Allmacht alle Umwaͤlzungen und Schattirungen auf der Erde umſchrie- ben und bezirkt hat. Nur eine kleine andre Richtung der Erde zur Sonne und alles auf ihr waͤre anders. Abgemeßne Mannichfaltigkeit alſo iſt auch hier das Ge- ſetz der bildenden Kunſt des Weltſchoͤpfers. Es war ihm nicht gnug, daß die Erde in Licht und Schatten, daß das menſchliche Leben in Tag und Nacht vertheilt wuͤrde; auch das Jahr unſers Geſchlechts ſollte abwechſeln und nur eini- ge Tage erließ er uns am Herbſt und Winter. Hiernach wurde auch die Laͤnge und Kuͤrze des menſchlichen Lebens, mithin das Maas unſrer Kraͤfte, die Revolutionen des menſchlichen Alters, die Abwechſelungen unſrer Geſchaͤfte, Phaͤnomene und Gedanken, die Nichtigkeit oder Dauer un- ſrer Entſchluͤße und Thaten beſtimmt: denn alles dies, wer- den wir ſehen, iſt zuletzt an dies einfache Geſetz der Tages- und Jahrszeiten gebunden. Lebte der Menſch laͤnger, waͤre die Kraft, der Zweck, der Genuß ſeines Lebens weniger wech- ſelnd und zerſtreut, eilte nicht die Natur ſo periodiſch mit ihm, wie ſie mit allen Erſcheinungen der Jahrszeiten um ihn eilet: ſo faͤnde freilich zwar weder die große Extenſion des Menſchenreichs auf der Erde, und noch weniger das Ge- wirre von Scenen ſtatt, das uns jetzt die Geſchicht darbent: auf

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/50>, abgerufen am 23.11.2024.