neuern Jahren entdeckt worden, die alle im Medium der Luft wirken. Die elektrische Materie und der magnetische Strom, das Brennbare und die Luftsäure, erkältende Salze und vielleicht Lichttheile, die die Sonne nur anregt: lauter mächtige Principien der Naturwirkungen auf der Er- de; und wie manche andre werden noch entdeckt werden! Die Luft beschwängert und löset auf: sie sauget ein, macht Gährungen und schlägt nieder. Sie scheint also die Mut- ter der Erdgeschöpfe, so wie der Erde selbst zu seyn; das all- gemeine Vehikel der Dinge, die sie in ihren Schoos zie- het und aus ihrem Schoos forttreibt.
Es bedarf keiner Demonstration, daß auch in die fein- sten und geistigsten Bestimmungen aller Erdgeschöpfe die At- mosphäre mit einfliesse und wirke; mit und unter der Sonne ist sie gleichsam die Mitregentin der Erde, wie sie einst ihre Bildnerin gewesen. Welch ein allgemeiner Unterschied wür- de sich ereignen, wenn unsre Luft eine andre Elasticität und Schwere, andre Reinigkeit und Dichtigkeit gehabt, wenn sie ein andres Wasser, eine andre Erde niedergeschlagen hätte, und in andern Einflüssen auf die Organisation der Körper wirkte! Gewiß ist dieses der Fall auf andern Planeten, die sich in andern Luftregionen gebildet haben; daher auch jeder Schluß von Substanzen und Erscheinungen unsrer Erde auf
die
neuern Jahren entdeckt worden, die alle im Medium der Luft wirken. Die elektriſche Materie und der magnetiſche Strom, das Brennbare und die Luftſaͤure, erkaͤltende Salze und vielleicht Lichttheile, die die Sonne nur anregt: lauter maͤchtige Principien der Naturwirkungen auf der Er- de; und wie manche andre werden noch entdeckt werden! Die Luft beſchwaͤngert und loͤſet auf: ſie ſauget ein, macht Gaͤhrungen und ſchlaͤgt nieder. Sie ſcheint alſo die Mut- ter der Erdgeſchoͤpfe, ſo wie der Erde ſelbſt zu ſeyn; das all- gemeine Vehikel der Dinge, die ſie in ihren Schoos zie- het und aus ihrem Schoos forttreibt.
Es bedarf keiner Demonſtration, daß auch in die fein- ſten und geiſtigſten Beſtimmungen aller Erdgeſchoͤpfe die At- moſphaͤre mit einflieſſe und wirke; mit und unter der Sonne iſt ſie gleichſam die Mitregentin der Erde, wie ſie einſt ihre Bildnerin geweſen. Welch ein allgemeiner Unterſchied wuͤr- de ſich ereignen, wenn unſre Luft eine andre Elaſticitaͤt und Schwere, andre Reinigkeit und Dichtigkeit gehabt, wenn ſie ein andres Waſſer, eine andre Erde niedergeſchlagen haͤtte, und in andern Einfluͤſſen auf die Organiſation der Koͤrper wirkte! Gewiß iſt dieſes der Fall auf andern Planeten, die ſich in andern Luftregionen gebildet haben; daher auch jeder Schluß von Subſtanzen und Erſcheinungen unſrer Erde auf
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neuern Jahren entdeckt worden, die alle im Medium der
Luft wirken. Die elektriſche Materie und der magnetiſche
Strom, das Brennbare und die Luftſaͤure, erkaͤltende
Salze und vielleicht Lichttheile, die die Sonne nur anregt:
lauter maͤchtige Principien der Naturwirkungen auf der Er-
de; und wie manche andre werden noch entdeckt werden!
Die Luft beſchwaͤngert und loͤſet auf: ſie ſauget ein, macht
Gaͤhrungen und ſchlaͤgt nieder. Sie ſcheint alſo die Mut-
ter der Erdgeſchoͤpfe, ſo wie der Erde ſelbſt zu ſeyn; das all-
gemeine Vehikel der Dinge, die ſie in ihren Schoos zie-
het und aus ihrem Schoos forttreibt.
Es bedarf keiner Demonſtration, daß auch in die fein-
ſten und geiſtigſten Beſtimmungen aller Erdgeſchoͤpfe die At-
moſphaͤre mit einflieſſe und wirke; mit und unter der Sonne
iſt ſie gleichſam die Mitregentin der Erde, wie ſie einſt ihre
Bildnerin geweſen. Welch ein allgemeiner Unterſchied wuͤr-
de ſich ereignen, wenn unſre Luft eine andre Elaſticitaͤt und
Schwere, andre Reinigkeit und Dichtigkeit gehabt, wenn ſie
ein andres Waſſer, eine andre Erde niedergeſchlagen haͤtte,
und in andern Einfluͤſſen auf die Organiſation der Koͤrper
wirkte! Gewiß iſt dieſes der Fall auf andern Planeten, die
ſich in andern Luftregionen gebildet haben; daher auch jeder
Schluß von Subſtanzen und Erſcheinungen unſrer Erde auf
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/52>, abgerufen am 21.11.2024.
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