Was indeß jeder Stein- und Erdart verliehen ist: ist gewiß ein allgemeines Gesetz aller Geschöpfe unsrer Erde; dieses ist Bildung, bestimmte Gestalt, eignes Daseyn. Keinem Wesen kann dies genommen werden: denn alle sei- ne Eigenschaften und Wirkungen sind darauf gegründet. Die unermeßliche Kette reicht vom Schöpfer hinab bis zum Keim eines Sandkörnchens, da auch dieses seine bestimmte Gestalt hat, in der es sich oft der schönsten Krystallisation nähert. Auch die vermischtesten Wesen folgen in ihren Theilen demselben Gesetz; nur weil so viel und mancherlei Kräfte in ihnen wirken und endlich ein Ganzes zusammen gebracht werden sollte, das mit den verschiedensten Bestand- theilen dennoch einer allgemeinen Einheit diene: so wurden Uebergänge, Vermischungen und mancherlei divergirende Formen. Sobald der Kern unsrer Erde, der Granit, da war, war auch das Licht da, das in den dicken Dünsten un- sres Erdchaos vielleicht noch als Feuer wirkte, es war eine grö- bere mächtigere Luft als wir jetzt geniessen, es war ein vermisch- teres schwangeres Wasser da, auf ihn zu wirken. Die andrin- gende Säure lösete ihn auf und führte ihn zu andern Steinarten über; der ungeheure Sand unsers Erdkörpers ist vielleicht nur die Asche dieses verwitterten Körpers. Das Brenn- bare der Luft beförderte vielleicht den Kiesel zur Kalkerde, und in dieser organisirten sich die ersten Lebendigen des Meers,
die
Was indeß jeder Stein- und Erdart verliehen iſt: iſt gewiß ein allgemeines Geſetz aller Geſchoͤpfe unſrer Erde; dieſes iſt Bildung, beſtimmte Geſtalt, eignes Daſeyn. Keinem Weſen kann dies genommen werden: denn alle ſei- ne Eigenſchaften und Wirkungen ſind darauf gegruͤndet. Die unermeßliche Kette reicht vom Schoͤpfer hinab bis zum Keim eines Sandkoͤrnchens, da auch dieſes ſeine beſtimmte Geſtalt hat, in der es ſich oft der ſchoͤnſten Kryſtalliſation naͤhert. Auch die vermiſchteſten Weſen folgen in ihren Theilen demſelben Geſetz; nur weil ſo viel und mancherlei Kraͤfte in ihnen wirken und endlich ein Ganzes zuſammen gebracht werden ſollte, das mit den verſchiedenſten Beſtand- theilen dennoch einer allgemeinen Einheit diene: ſo wurden Uebergaͤnge, Vermiſchungen und mancherlei divergirende Formen. Sobald der Kern unſrer Erde, der Granit, da war, war auch das Licht da, das in den dicken Duͤnſten un- ſres Erdchaos vielleicht noch als Feuer wirkte, es war eine groͤ- bere maͤchtigere Luft als wir jetzt genieſſen, es war ein vermiſch- teres ſchwangeres Waſſer da, auf ihn zu wirken. Die andrin- gende Saͤure loͤſete ihn auf und fuͤhrte ihn zu andern Steinarten uͤber; der ungeheure Sand unſers Erdkoͤrpers iſt vielleicht nur die Aſche dieſes verwitterten Koͤrpers. Das Brenn- bare der Luft befoͤrderte vielleicht den Kieſel zur Kalkerde, und in dieſer organiſirten ſich die erſten Lebendigen des Meers,
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Was indeß jeder Stein- und Erdart verliehen iſt: iſt
gewiß ein allgemeines Geſetz aller Geſchoͤpfe unſrer Erde;
dieſes iſt Bildung, beſtimmte Geſtalt, eignes Daſeyn.
Keinem Weſen kann dies genommen werden: denn alle ſei-
ne Eigenſchaften und Wirkungen ſind darauf gegruͤndet.
Die unermeßliche Kette reicht vom Schoͤpfer hinab bis zum
Keim eines Sandkoͤrnchens, da auch dieſes ſeine beſtimmte
Geſtalt hat, in der es ſich oft der ſchoͤnſten Kryſtalliſation
naͤhert. Auch die vermiſchteſten Weſen folgen in ihren
Theilen demſelben Geſetz; nur weil ſo viel und mancherlei
Kraͤfte in ihnen wirken und endlich ein Ganzes zuſammen
gebracht werden ſollte, das mit den verſchiedenſten Beſtand-
theilen dennoch einer allgemeinen Einheit diene: ſo wurden
Uebergaͤnge, Vermiſchungen und mancherlei divergirende
Formen. Sobald der Kern unſrer Erde, der Granit, da
war, war auch das Licht da, das in den dicken Duͤnſten un-
ſres Erdchaos vielleicht noch als Feuer wirkte, es war eine groͤ-
bere maͤchtigere Luft als wir jetzt genieſſen, es war ein vermiſch-
teres ſchwangeres Waſſer da, auf ihn zu wirken. Die andrin-
gende Saͤure loͤſete ihn auf und fuͤhrte ihn zu andern Steinarten
uͤber; der ungeheure Sand unſers Erdkoͤrpers iſt vielleicht
nur die Aſche dieſes verwitterten Koͤrpers. Das Brenn-
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in dieſer organiſirten ſich die erſten Lebendigen des Meers,
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/82>, abgerufen am 21.11.2024.
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