der aufwachende Trieb seiner schönen Jugend und die süßesten Namen der Menschheit Vater, Kind, Bruder, Schwester, Geliebter, Freund, Versorger, sind Bande des Naturrechts, die im Stande jeder ursprünglichen Menschengesellschaft statt finden. Mit ihnen sind also auch die ersten Regierungen un- ter den Menschen gegründet: Ordnungen der Familie, ohne die unser Geschlecht nicht bestehen kann, Gesetze, die die Natur gab und auch durch sich selbst gnugsam einschränkte. Wir wollen sie den ersten Grad natürlicher Regierungen nennen; sie werden immerhin auch der höchste und letzte bleiben.
Hier endigte nun die Natur ihre Grundlage der Gesell- schaft und überließ es dem Verstande oder dem Bedürfniß des Menschen, höhere Gebäude darauf zu gründen. Jn allen Erdstrichen, wo einzelne Stämme und Geschlechter einander weniger bedörfen, nehmen sie auch weniger Theil an einander; sie dachten also an keine großen politischen Gebäude. Der- gleichen sind die Küsten der Fischer, die Weiden der Hirten, die Wälder der Jäger; wo auf ihnen das väterliche und häus- liche Regiment aufhört, sind die weiteren Verbindungen der Menschen meistens nur auf Vertrag oder Auftrag gegründet. Eine Jagdnation z. B. geht auf die Jagd: bedarf sie eines Führers, so ist es ein Jagdanführer, zu dem sie den geschickt- sten wählet, dem sie also auch nur aus freier Wahl, und zum
gemein-
der aufwachende Trieb ſeiner ſchoͤnen Jugend und die ſuͤßeſten Namen der Menſchheit Vater, Kind, Bruder, Schweſter, Geliebter, Freund, Verſorger, ſind Bande des Naturrechts, die im Stande jeder urſpruͤnglichen Menſchengeſellſchaft ſtatt finden. Mit ihnen ſind alſo auch die erſten Regierungen un- ter den Menſchen gegruͤndet: Ordnungen der Familie, ohne die unſer Geſchlecht nicht beſtehen kann, Geſetze, die die Natur gab und auch durch ſich ſelbſt gnugſam einſchraͤnkte. Wir wollen ſie den erſten Grad natuͤrlicher Regierungen nennen; ſie werden immerhin auch der hoͤchſte und letzte bleiben.
Hier endigte nun die Natur ihre Grundlage der Geſell- ſchaft und uͤberließ es dem Verſtande oder dem Beduͤrfniß des Menſchen, hoͤhere Gebaͤude darauf zu gruͤnden. Jn allen Erdſtrichen, wo einzelne Staͤmme und Geſchlechter einander weniger bedoͤrfen, nehmen ſie auch weniger Theil an einander; ſie dachten alſo an keine großen politiſchen Gebaͤude. Der- gleichen ſind die Kuͤſten der Fiſcher, die Weiden der Hirten, die Waͤlder der Jaͤger; wo auf ihnen das vaͤterliche und haͤus- liche Regiment aufhoͤrt, ſind die weiteren Verbindungen der Menſchen meiſtens nur auf Vertrag oder Auftrag gegruͤndet. Eine Jagdnation z. B. geht auf die Jagd: bedarf ſie eines Fuͤhrers, ſo iſt es ein Jagdanfuͤhrer, zu dem ſie den geſchickt- ſten waͤhlet, dem ſie alſo auch nur aus freier Wahl, und zum
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der aufwachende Trieb ſeiner ſchoͤnen Jugend und die ſuͤßeſten
Namen der Menſchheit Vater, Kind, Bruder, Schweſter,
Geliebter, Freund, Verſorger, ſind Bande des Naturrechts,
die im Stande jeder urſpruͤnglichen Menſchengeſellſchaft ſtatt
finden. Mit ihnen ſind alſo auch die erſten Regierungen un-
ter den Menſchen gegruͤndet: Ordnungen der Familie, ohne
die unſer Geſchlecht nicht beſtehen kann, Geſetze, die die
Natur gab und auch durch ſich ſelbſt gnugſam einſchraͤnkte.
Wir wollen ſie den erſten Grad natuͤrlicher Regierungen
nennen; ſie werden immerhin auch der hoͤchſte und letzte bleiben.
Hier endigte nun die Natur ihre Grundlage der Geſell-
ſchaft und uͤberließ es dem Verſtande oder dem Beduͤrfniß
des Menſchen, hoͤhere Gebaͤude darauf zu gruͤnden. Jn allen
Erdſtrichen, wo einzelne Staͤmme und Geſchlechter einander
weniger bedoͤrfen, nehmen ſie auch weniger Theil an einander;
ſie dachten alſo an keine großen politiſchen Gebaͤude. Der-
gleichen ſind die Kuͤſten der Fiſcher, die Weiden der Hirten,
die Waͤlder der Jaͤger; wo auf ihnen das vaͤterliche und haͤus-
liche Regiment aufhoͤrt, ſind die weiteren Verbindungen der
Menſchen meiſtens nur auf Vertrag oder Auftrag gegruͤndet.
Eine Jagdnation z. B. geht auf die Jagd: bedarf ſie eines
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/262>, abgerufen am 22.12.2024.
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