durch Vergessenheit und Gewohnheit zu lindern. So lange sich die Völker wachsam und in reger Kraft erhalten oder wo die Natur sie mit dem harten Brod der Arbeit speiset, da fin- den keine weiche Sultane statt; das rauhe Land, die harte Lebensweise sind ihnen der Freiheit Vestung. Wo gegentheils die Völker in ihrem weicheren Schoos entschliefen und das Netz duldeten, das man über sie zog; siehe da kommt die trö- stende Mutter dem Unterdrückten wenigstens durch ihre mil- deren Gaben zu Hülfe: denn der Despotismus setzt immer eine Art Schwäche, folglich mehrere Bequemlichkeit voraus, die entweder aus Gaben der Natur oder der Kunst entstanden. Jn den meisten despotisch-regierten Ländern nährt und kleidet die Natur den Menschen fast ohne Mühe, daß er sich also mit dem vorüberrasenden Orkan gleichsam nur abfinden darf und nachher, zwar Gedankenlos und ohne Würde, dennoch aber nicht ganz ohne Genuß den Athem ihrer Erquickung trinket. Ue- berhaupt ist das Loos der Menschen und seine Bestimmung zur irrdischen Glückseligkeit weder ans Herrschen, noch ans Dienen geknüpfet. Der Arme kann glücklich, der Sklave in Ketten kann frei seyn: der Despot und sein Werkzeug sind meistens und oft in ganzen Geschlechtern die unglücklichsten und unwürdigsten Sklaven.
Da alle Sätze, die ich bisher berührt habe, aus der Ge- schichte selbst ihre eigentliche Erläuterung nehmen müssen: so
bleibt
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durch Vergeſſenheit und Gewohnheit zu lindern. So lange ſich die Voͤlker wachſam und in reger Kraft erhalten oder wo die Natur ſie mit dem harten Brod der Arbeit ſpeiſet, da fin- den keine weiche Sultane ſtatt; das rauhe Land, die harte Lebensweiſe ſind ihnen der Freiheit Veſtung. Wo gegentheils die Voͤlker in ihrem weicheren Schoos entſchliefen und das Netz duldeten, das man uͤber ſie zog; ſiehe da kommt die troͤ- ſtende Mutter dem Unterdruͤckten wenigſtens durch ihre mil- deren Gaben zu Huͤlfe: denn der Deſpotismus ſetzt immer eine Art Schwaͤche, folglich mehrere Bequemlichkeit voraus, die entweder aus Gaben der Natur oder der Kunſt entſtanden. Jn den meiſten deſpotiſch-regierten Laͤndern naͤhrt und kleidet die Natur den Menſchen faſt ohne Muͤhe, daß er ſich alſo mit dem voruͤberraſenden Orkan gleichſam nur abfinden darf und nachher, zwar Gedankenlos und ohne Wuͤrde, dennoch aber nicht ganz ohne Genuß den Athem ihrer Erquickung trinket. Ue- berhaupt iſt das Loos der Menſchen und ſeine Beſtimmung zur irrdiſchen Gluͤckſeligkeit weder ans Herrſchen, noch ans Dienen geknuͤpfet. Der Arme kann gluͤcklich, der Sklave in Ketten kann frei ſeyn: der Deſpot und ſein Werkzeug ſind meiſtens und oft in ganzen Geſchlechtern die ungluͤcklichſten und unwuͤrdigſten Sklaven.
Da alle Saͤtze, die ich bisher beruͤhrt habe, aus der Ge- ſchichte ſelbſt ihre eigentliche Erlaͤuterung nehmen muͤſſen: ſo
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durch Vergeſſenheit und Gewohnheit zu lindern. So lange
ſich die Voͤlker wachſam und in reger Kraft erhalten oder wo
die Natur ſie mit dem harten Brod der Arbeit ſpeiſet, da fin-
den keine weiche Sultane ſtatt; das rauhe Land, die harte
Lebensweiſe ſind ihnen der Freiheit Veſtung. Wo gegentheils
die Voͤlker in ihrem weicheren Schoos entſchliefen und das
Netz duldeten, das man uͤber ſie zog; ſiehe da kommt die troͤ-
ſtende Mutter dem Unterdruͤckten wenigſtens durch ihre mil-
deren Gaben zu Huͤlfe: denn der Deſpotismus ſetzt immer eine
Art Schwaͤche, folglich mehrere Bequemlichkeit voraus, die
entweder aus Gaben der Natur oder der Kunſt entſtanden.
Jn den meiſten deſpotiſch-regierten Laͤndern naͤhrt und kleidet
die Natur den Menſchen faſt ohne Muͤhe, daß er ſich alſo mit
dem voruͤberraſenden Orkan gleichſam nur abfinden darf und
nachher, zwar Gedankenlos und ohne Wuͤrde, dennoch aber nicht
ganz ohne Genuß den Athem ihrer Erquickung trinket. Ue-
berhaupt iſt das Loos der Menſchen und ſeine Beſtimmung
zur irrdiſchen Gluͤckſeligkeit weder ans Herrſchen, noch
ans Dienen geknuͤpfet. Der Arme kann gluͤcklich, der Sklave
in Ketten kann frei ſeyn: der Deſpot und ſein Werkzeug ſind
meiſtens und oft in ganzen Geſchlechtern die ungluͤcklichſten
und unwuͤrdigſten Sklaven.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/271>, abgerufen am 22.12.2024.
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