Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Negerstämme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde sie
kühlen, bleichet sich auch die Schwärze ins Gelbe. Auf
kühlen Höhen wohnen weiße oder weißliche Völker; in nie-
dern, eingeschlossenen Gegenden kocht auch die Sonne mehr
das Oel aus, das unter der Oberhaut den schwarzen Schein
giebet. Erwägen wir nun, daß diese Schwarzen Jahrtau-
sende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens-
art sich demselben ganz einverleibet haben; bedenken wir,
daß manche Umstände, die jetzt weniger wirken, in frühern
Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer ersten rohen Stär-
ke waren, auch stärker gewirkt haben müssen und daß in
Jahrtausenden gleichsam das ganze Rad der Zufälle umläuft,
das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde
entwickelt werden kann: so wird uns die Kleinigkeit nicht
wundern, daß die Haut einiger Nationen geschwärzt sei.
Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun-
gen andre, viel größere Abartungen bewirkt, als diese.

3. Und wie bewirkete sie diese kleine Veränderung?
Mich dünkt, die Sache selbst zeigets. Es ist ein Oel, wo-
mit sie diese Netzhaut färbte: der Schweiß der Neger und
selbst der Europäer in diesen Gegenden färbet sich oft gelb:
die Haut der Schwarzen ist ein dicker, weicher Sammet,
nicht so gespannt und trocken wie die Haut der Weißen;

also
F 2

Negerſtaͤmme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde ſie
kuͤhlen, bleichet ſich auch die Schwaͤrze ins Gelbe. Auf
kuͤhlen Hoͤhen wohnen weiße oder weißliche Voͤlker; in nie-
dern, eingeſchloſſenen Gegenden kocht auch die Sonne mehr
das Oel aus, das unter der Oberhaut den ſchwarzen Schein
giebet. Erwaͤgen wir nun, daß dieſe Schwarzen Jahrtau-
ſende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens-
art ſich demſelben ganz einverleibet haben; bedenken wir,
daß manche Umſtaͤnde, die jetzt weniger wirken, in fruͤhern
Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer erſten rohen Staͤr-
ke waren, auch ſtaͤrker gewirkt haben muͤſſen und daß in
Jahrtauſenden gleichſam das ganze Rad der Zufaͤlle umlaͤuft,
das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde
entwickelt werden kann: ſo wird uns die Kleinigkeit nicht
wundern, daß die Haut einiger Nationen geſchwaͤrzt ſei.
Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun-
gen andre, viel groͤßere Abartungen bewirkt, als dieſe.

3. Und wie bewirkete ſie dieſe kleine Veraͤnderung?
Mich duͤnkt, die Sache ſelbſt zeigets. Es iſt ein Oel, wo-
mit ſie dieſe Netzhaut faͤrbte: der Schweiß der Neger und
ſelbſt der Europaͤer in dieſen Gegenden faͤrbet ſich oft gelb:
die Haut der Schwarzen iſt ein dicker, weicher Sammet,
nicht ſo geſpannt und trocken wie die Haut der Weißen;

alſo
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="43"/>
Neger&#x017F;ta&#x0364;mme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde &#x017F;ie<lb/>
ku&#x0364;hlen, bleichet &#x017F;ich auch die Schwa&#x0364;rze ins Gelbe. Auf<lb/>
ku&#x0364;hlen Ho&#x0364;hen wohnen weiße oder weißliche Vo&#x0364;lker; in nie-<lb/>
dern, einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Gegenden kocht auch die Sonne mehr<lb/>
das Oel aus, das unter der Oberhaut den &#x017F;chwarzen Schein<lb/>
giebet. Erwa&#x0364;gen wir nun, daß die&#x017F;e Schwarzen Jahrtau-<lb/>
&#x017F;ende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens-<lb/>
art &#x017F;ich dem&#x017F;elben ganz einverleibet haben; bedenken wir,<lb/>
daß manche Um&#x017F;ta&#x0364;nde, die jetzt weniger wirken, in fru&#x0364;hern<lb/>
Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer er&#x017F;ten rohen Sta&#x0364;r-<lb/>
ke waren, auch &#x017F;ta&#x0364;rker gewirkt haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und daß in<lb/>
Jahrtau&#x017F;enden gleich&#x017F;am das ganze Rad der Zufa&#x0364;lle umla&#x0364;uft,<lb/>
das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde<lb/>
entwickelt werden kann: &#x017F;o wird uns die Kleinigkeit nicht<lb/>
wundern, daß die Haut einiger Nationen ge&#x017F;chwa&#x0364;rzt &#x017F;ei.<lb/>
Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun-<lb/>
gen andre, viel gro&#x0364;ßere Abartungen bewirkt, als die&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>3. Und wie bewirkete &#x017F;ie die&#x017F;e kleine Vera&#x0364;nderung?<lb/>
Mich du&#x0364;nkt, die Sache &#x017F;elb&#x017F;t zeigets. Es i&#x017F;t ein Oel, wo-<lb/>
mit &#x017F;ie die&#x017F;e Netzhaut fa&#x0364;rbte: der Schweiß der Neger und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t der Europa&#x0364;er in die&#x017F;en Gegenden fa&#x0364;rbet &#x017F;ich oft gelb:<lb/>
die Haut der Schwarzen i&#x017F;t ein dicker, weicher Sammet,<lb/>
nicht &#x017F;o ge&#x017F;pannt und trocken wie die Haut der Weißen;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">al&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0055] Negerſtaͤmme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde ſie kuͤhlen, bleichet ſich auch die Schwaͤrze ins Gelbe. Auf kuͤhlen Hoͤhen wohnen weiße oder weißliche Voͤlker; in nie- dern, eingeſchloſſenen Gegenden kocht auch die Sonne mehr das Oel aus, das unter der Oberhaut den ſchwarzen Schein giebet. Erwaͤgen wir nun, daß dieſe Schwarzen Jahrtau- ſende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens- art ſich demſelben ganz einverleibet haben; bedenken wir, daß manche Umſtaͤnde, die jetzt weniger wirken, in fruͤhern Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer erſten rohen Staͤr- ke waren, auch ſtaͤrker gewirkt haben muͤſſen und daß in Jahrtauſenden gleichſam das ganze Rad der Zufaͤlle umlaͤuft, das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde entwickelt werden kann: ſo wird uns die Kleinigkeit nicht wundern, daß die Haut einiger Nationen geſchwaͤrzt ſei. Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun- gen andre, viel groͤßere Abartungen bewirkt, als dieſe. 3. Und wie bewirkete ſie dieſe kleine Veraͤnderung? Mich duͤnkt, die Sache ſelbſt zeigets. Es iſt ein Oel, wo- mit ſie dieſe Netzhaut faͤrbte: der Schweiß der Neger und ſelbſt der Europaͤer in dieſen Gegenden faͤrbet ſich oft gelb: die Haut der Schwarzen iſt ein dicker, weicher Sammet, nicht ſo geſpannt und trocken wie die Haut der Weißen; alſo F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/55
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/55>, abgerufen am 22.12.2024.