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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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zu Tisch, der frißet wohl vier oder sechs
Semmel, und trinket eine Kanne oder zwo,
und thut mehr denn das Gesetz giebt.
Kommt ein Kranker dazu, der ißt eine
halbe Semmel und trinkt drei Löffel voll,
und thut doch nicht mehr an solchem Ge-
setz, denn seine kranke Natur vermag; oder
muß sterben, wo er soll das Gesetz halten.
Hier ists nun besser, ich lasse den Gesun-
den ohn alles Gesetz essen und trinken,
was und wieviel er will; dem Kranken
gebe ich Maas und Gesetze, wieviel er kann,
daß er dem Gesunden nicht nachmüße.

Nun ist die Welt ein krank Ding und
eben ein solcher Pelz, da Haut und Haar
nicht gut an ist. Die gesunden Helden sind
selten und Gott giebt sie theuer, und muß
doch regiert seyn, wo Menschen nicht sol-
len wilde Thier werden. Darum bleibts
in der Welt gemeiniglich eitel Flickwerk

zu Tiſch, der frißet wohl vier oder ſechs
Semmel, und trinket eine Kanne oder zwo,
und thut mehr denn das Geſetz giebt.
Kommt ein Kranker dazu, der ißt eine
halbe Semmel und trinkt drei Loͤffel voll,
und thut doch nicht mehr an ſolchem Ge-
ſetz, denn ſeine kranke Natur vermag; oder
muß ſterben, wo er ſoll das Geſetz halten.
Hier iſts nun beſſer, ich laſſe den Geſun-
den ohn alles Geſetz eſſen und trinken,
was und wieviel er will; dem Kranken
gebe ich Maas und Geſetze, wieviel er kann,
daß er dem Geſunden nicht nachmuͤße.

Nun iſt die Welt ein krank Ding und
eben ein ſolcher Pelz, da Haut und Haar
nicht gut an iſt. Die geſunden Helden ſind
ſelten und Gott giebt ſie theuer, und muß
doch regiert ſeyn, wo Menſchen nicht ſol-
len wilde Thier werden. Darum bleibts
in der Welt gemeiniglich eitel Flickwerk

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[27/0032] zu Tiſch, der frißet wohl vier oder ſechs Semmel, und trinket eine Kanne oder zwo, und thut mehr denn das Geſetz giebt. Kommt ein Kranker dazu, der ißt eine halbe Semmel und trinkt drei Loͤffel voll, und thut doch nicht mehr an ſolchem Ge- ſetz, denn ſeine kranke Natur vermag; oder muß ſterben, wo er ſoll das Geſetz halten. Hier iſts nun beſſer, ich laſſe den Geſun- den ohn alles Geſetz eſſen und trinken, was und wieviel er will; dem Kranken gebe ich Maas und Geſetze, wieviel er kann, daß er dem Geſunden nicht nachmuͤße. Nun iſt die Welt ein krank Ding und eben ein ſolcher Pelz, da Haut und Haar nicht gut an iſt. Die geſunden Helden ſind ſelten und Gott giebt ſie theuer, und muß doch regiert ſeyn, wo Menſchen nicht ſol- len wilde Thier werden. Darum bleibts in der Welt gemeiniglich eitel Flickwerk

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/32>, abgerufen am 28.11.2024.