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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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gefiel, oder nicht ihren Willen thät und ließ
sie Herren seyn. Man darf dem Pöbel nicht
viel pfeifen, er tollet sonst gern; und ist bil-
liger, demselben zehn Ellen abbrechen, denn
Eine Hand breit, ja eines Fingers breit
einräumen in solchem Fall: Denn der Pöbel
hat und weiß keine Maasse, und steckt in
einem jeglichen mehr denn fünf Tyrannen.
Die Rache ist mein, sagt Gott, ich
will vergelten
! Ein böser Tyrann ist
leidlicher, dann ein böser Krieg; welches du
mußt billigen, wenn du deine eigne Ver-
nunft und Erfahrung fragst. Gott läßt
einen Buben regieren um des Volks Sünde
willen. Gar fein können wir sehen, daß ein
Bube regiert; aber das will niemand sehen,
daß er um des Volks Sünde willen regieret.
Laß dich nicht irren, daß die Obrigkeit böse
ist; es liegt ihr die Strafe und Unglück nä-
her, denn du begehren möchtest.


gefiel, oder nicht ihren Willen thaͤt und ließ
ſie Herren ſeyn. Man darf dem Poͤbel nicht
viel pfeifen, er tollet ſonſt gern; und iſt bil-
liger, demſelben zehn Ellen abbrechen, denn
Eine Hand breit, ja eines Fingers breit
einraͤumen in ſolchem Fall: Denn der Poͤbel
hat und weiß keine Maaſſe, und ſteckt in
einem jeglichen mehr denn fuͤnf Tyrannen.
Die Rache iſt mein, ſagt Gott, ich
will vergelten
! Ein boͤſer Tyrann iſt
leidlicher, dann ein boͤſer Krieg; welches du
mußt billigen, wenn du deine eigne Ver-
nunft und Erfahrung fragſt. Gott laͤßt
einen Buben regieren um des Volks Suͤnde
willen. Gar fein koͤnnen wir ſehen, daß ein
Bube regiert; aber das will niemand ſehen,
daß er um des Volks Suͤnde willen regieret.
Laß dich nicht irren, daß die Obrigkeit boͤſe
iſt; es liegt ihr die Strafe und Ungluͤck naͤ-
her, denn du begehren moͤchteſt.


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[36/0041] gefiel, oder nicht ihren Willen thaͤt und ließ ſie Herren ſeyn. Man darf dem Poͤbel nicht viel pfeifen, er tollet ſonſt gern; und iſt bil- liger, demſelben zehn Ellen abbrechen, denn Eine Hand breit, ja eines Fingers breit einraͤumen in ſolchem Fall: Denn der Poͤbel hat und weiß keine Maaſſe, und ſteckt in einem jeglichen mehr denn fuͤnf Tyrannen. Die Rache iſt mein, ſagt Gott, ich will vergelten! Ein boͤſer Tyrann iſt leidlicher, dann ein boͤſer Krieg; welches du mußt billigen, wenn du deine eigne Ver- nunft und Erfahrung fragſt. Gott laͤßt einen Buben regieren um des Volks Suͤnde willen. Gar fein koͤnnen wir ſehen, daß ein Bube regiert; aber das will niemand ſehen, daß er um des Volks Suͤnde willen regieret. Laß dich nicht irren, daß die Obrigkeit boͤſe iſt; es liegt ihr die Strafe und Ungluͤck naͤ- her, denn du begehren moͤchteſt.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/41>, abgerufen am 29.11.2024.