Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

und ergötzte mitten im Unmuth sein schwer-
beladnes Herz durch Töne. Der wärmste
Freund seines Freundes, an Stärke,
Tapferkeit, Schönheit und Ruhmliebe über
alle Griechen erhaben. Und an diesem
Gottgeliebten Sohn einer Göttinn und ei-
nes Helden zeigt uns Homer menin

2. die erschreckliche Plage des har-
ten, obwohl gerechten Unmuths. Achill
konnte ihm nicht entweichen: denn der
Vorfall, der ihn dazu reizte, drang auf ihn,
ohne daß er ihn suchte. Er kann, die
ganze Iliade hindurch, als Achill nicht an-
ders handeln, als er handelt. Das Unan-
genehme aber dieses Unmuths für ihn und
für andre entwickelt der Sänger durch
Worte aus des guten Phönix, ja aus
Achills eignem Munde und durch Erfolge
in lauter lebendigen Situationen. Sogar
das herbeieilende letzte Schicksal des Edel-

G 2

und ergoͤtzte mitten im Unmuth ſein ſchwer-
beladnes Herz durch Toͤne. Der waͤrmſte
Freund ſeines Freundes, an Staͤrke,
Tapferkeit, Schoͤnheit und Ruhmliebe uͤber
alle Griechen erhaben. Und an dieſem
Gottgeliebten Sohn einer Goͤttinn und ei-
nes Helden zeigt uns Homer μηνιν

2. die erſchreckliche Plage des har-
ten, obwohl gerechten Unmuths. Achill
konnte ihm nicht entweichen: denn der
Vorfall, der ihn dazu reizte, drang auf ihn,
ohne daß er ihn ſuchte. Er kann, die
ganze Iliade hindurch, als Achill nicht an-
ders handeln, als er handelt. Das Unan-
genehme aber dieſes Unmuths fuͤr ihn und
fuͤr andre entwickelt der Saͤnger durch
Worte aus des guten Phoͤnix, ja aus
Achills eignem Munde und durch Erfolge
in lauter lebendigen Situationen. Sogar
das herbeieilende letzte Schickſal des Edel-

G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="99"/>
und ergo&#x0364;tzte mitten im Unmuth &#x017F;ein &#x017F;chwer-<lb/>
beladnes Herz durch To&#x0364;ne. Der wa&#x0364;rm&#x017F;te<lb/><hi rendition="#g">Freund &#x017F;eines Freundes</hi>, an Sta&#x0364;rke,<lb/>
Tapferkeit, Scho&#x0364;nheit und Ruhmliebe u&#x0364;ber<lb/>
alle Griechen erhaben. Und an die&#x017F;em<lb/>
Gottgeliebten Sohn einer Go&#x0364;ttinn und ei-<lb/>
nes Helden zeigt uns Homer &#x03BC;&#x03B7;&#x03BD;&#x03B9;&#x03BD;</p><lb/>
        <p>2. die er&#x017F;chreckliche Plage des har-<lb/>
ten, obwohl gerechten <hi rendition="#g">Unmuths</hi>. Achill<lb/>
konnte ihm nicht entweichen: denn der<lb/>
Vorfall, der ihn dazu reizte, drang auf ihn,<lb/>
ohne daß er ihn &#x017F;uchte. Er kann, die<lb/>
ganze Iliade hindurch, als Achill nicht an-<lb/>
ders handeln, als er handelt. Das Unan-<lb/>
genehme aber die&#x017F;es Unmuths fu&#x0364;r ihn und<lb/>
fu&#x0364;r andre entwickelt der Sa&#x0364;nger durch<lb/><hi rendition="#g">Worte</hi> aus des guten Pho&#x0364;nix, ja aus<lb/>
Achills eignem Munde und durch Erfolge<lb/>
in lauter lebendigen Situationen. Sogar<lb/>
das herbeieilende letzte Schick&#x017F;al des Edel-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0108] und ergoͤtzte mitten im Unmuth ſein ſchwer- beladnes Herz durch Toͤne. Der waͤrmſte Freund ſeines Freundes, an Staͤrke, Tapferkeit, Schoͤnheit und Ruhmliebe uͤber alle Griechen erhaben. Und an dieſem Gottgeliebten Sohn einer Goͤttinn und ei- nes Helden zeigt uns Homer μηνιν 2. die erſchreckliche Plage des har- ten, obwohl gerechten Unmuths. Achill konnte ihm nicht entweichen: denn der Vorfall, der ihn dazu reizte, drang auf ihn, ohne daß er ihn ſuchte. Er kann, die ganze Iliade hindurch, als Achill nicht an- ders handeln, als er handelt. Das Unan- genehme aber dieſes Unmuths fuͤr ihn und fuͤr andre entwickelt der Saͤnger durch Worte aus des guten Phoͤnix, ja aus Achills eignem Munde und durch Erfolge in lauter lebendigen Situationen. Sogar das herbeieilende letzte Schickſal des Edel- G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/108
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/108>, abgerufen am 23.11.2024.