Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

der Götter Gaben werden mit der Asche
begraben. Jenen hat falsche Hoffnung,
eine trügliche Weissagung ins Feld gelockt;
der Tod ergreift ihn, schwarze Nacht um-
hüllet sein Auge. Und ferner. Mehrere
dieser Erinnerungen sind so zart, daß sie
Inschriften zu den Grabmälern
der Erschlagenen
seyn könnten, wenn
arme Kriegserschlagene Grabmal und Urne
erhielten.

6. Merkwürdig ist hiebei, daß Homer
dieses zärtliche Andenken am meisten den
Trojanern
schenket. Er ein Grieche, der
den Ruhm griechischer Helden verewigen
wollte, war zugleich ein Asiat, ein Jonier,
ein Mensch, und ich möchte sagen ein Be-
daurer des Trojanischen Schicksals. Weit
entfernt von der barbarischen Kleinmuth,
seine Feinde verunglimpfend zu belügen,
zeichnet er ihr zarteres Gemüth, die grö-

der Goͤtter Gaben werden mit der Aſche
begraben. Jenen hat falſche Hoffnung,
eine truͤgliche Weiſſagung ins Feld gelockt;
der Tod ergreift ihn, ſchwarze Nacht um-
huͤllet ſein Auge. Und ferner. Mehrere
dieſer Erinnerungen ſind ſo zart, daß ſie
Inſchriften zu den Grabmaͤlern
der Erſchlagenen
ſeyn koͤnnten, wenn
arme Kriegserſchlagene Grabmal und Urne
erhielten.

6. Merkwuͤrdig iſt hiebei, daß Homer
dieſes zaͤrtliche Andenken am meiſten den
Trojanern
ſchenket. Er ein Grieche, der
den Ruhm griechiſcher Helden verewigen
wollte, war zugleich ein Aſiat, ein Jonier,
ein Menſch, und ich moͤchte ſagen ein Be-
daurer des Trojaniſchen Schickſals. Weit
entfernt von der barbariſchen Kleinmuth,
ſeine Feinde verunglimpfend zu beluͤgen,
zeichnet er ihr zarteres Gemuͤth, die groͤ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="123"/>
der Go&#x0364;tter Gaben werden mit der A&#x017F;che<lb/>
begraben. <hi rendition="#g">Jenen</hi> hat fal&#x017F;che Hoffnung,<lb/>
eine tru&#x0364;gliche Wei&#x017F;&#x017F;agung ins Feld gelockt;<lb/>
der Tod ergreift ihn, &#x017F;chwarze Nacht um-<lb/>
hu&#x0364;llet &#x017F;ein Auge. Und ferner. Mehrere<lb/>
die&#x017F;er Erinnerungen &#x017F;ind &#x017F;o zart, daß &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#g">In&#x017F;chriften zu den Grabma&#x0364;lern<lb/>
der Er&#x017F;chlagenen</hi> &#x017F;eyn ko&#x0364;nnten, wenn<lb/>
arme Kriegser&#x017F;chlagene Grabmal und Urne<lb/>
erhielten.</p><lb/>
        <p>6. Merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t hiebei, daß Homer<lb/>
die&#x017F;es za&#x0364;rtliche Andenken am mei&#x017F;ten <hi rendition="#g">den<lb/>
Trojanern</hi> &#x017F;chenket. Er ein Grieche, der<lb/>
den Ruhm griechi&#x017F;cher Helden verewigen<lb/>
wollte, war zugleich ein A&#x017F;iat, ein Jonier,<lb/>
ein Men&#x017F;ch, und ich mo&#x0364;chte &#x017F;agen ein Be-<lb/>
daurer des Trojani&#x017F;chen Schick&#x017F;als. Weit<lb/>
entfernt von der barbari&#x017F;chen Kleinmuth,<lb/>
&#x017F;eine Feinde verunglimpfend zu belu&#x0364;gen,<lb/>
zeichnet er ihr zarteres Gemu&#x0364;th, die gro&#x0364;-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0132] der Goͤtter Gaben werden mit der Aſche begraben. Jenen hat falſche Hoffnung, eine truͤgliche Weiſſagung ins Feld gelockt; der Tod ergreift ihn, ſchwarze Nacht um- huͤllet ſein Auge. Und ferner. Mehrere dieſer Erinnerungen ſind ſo zart, daß ſie Inſchriften zu den Grabmaͤlern der Erſchlagenen ſeyn koͤnnten, wenn arme Kriegserſchlagene Grabmal und Urne erhielten. 6. Merkwuͤrdig iſt hiebei, daß Homer dieſes zaͤrtliche Andenken am meiſten den Trojanern ſchenket. Er ein Grieche, der den Ruhm griechiſcher Helden verewigen wollte, war zugleich ein Aſiat, ein Jonier, ein Menſch, und ich moͤchte ſagen ein Be- daurer des Trojaniſchen Schickſals. Weit entfernt von der barbariſchen Kleinmuth, ſeine Feinde verunglimpfend zu beluͤgen, zeichnet er ihr zarteres Gemuͤth, die groͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/132
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/132>, abgerufen am 27.11.2024.