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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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Hektors letzter Gang nach Troja ist bei
Homer in jedem Schritte groß und heilig.
Der Edle will die zornige Göttinn versöh-
nen und seine geliebte Vaterstadt entsün-
digen; daher er auch den Missethäter Pa-
ris ins Feld fodert, bis am Skäischen
Thore endlich, an diesem Unglücksorte, der
traurige Abschied die Scene endet -- --

Homer war keiner von denen, die ih-
rem Lieblingshelden die ganze Welt auf-
opfern. Seinen Achilles kleidet er in
Gottähnliche Größe; Hektor dagegen in
alle Würde und Zierde des Vertheidigers
seiner Geburtsstadt. Beide Helden konn-
ten in dem Menschenverderblichen Kriege
nicht auf Einmal glänzen; indeß Jener
also einige Tage ruhet, läßet er diesen
sein Glück aufs höchste treiben; bis er
durch Anlegung der Waffen Achills die
Nemesis reizet, und dem Tode ein Opfer

Hektors letzter Gang nach Troja iſt bei
Homer in jedem Schritte groß und heilig.
Der Edle will die zornige Goͤttinn verſoͤh-
nen und ſeine geliebte Vaterſtadt entſuͤn-
digen; daher er auch den Miſſethaͤter Pa-
ris ins Feld fodert, bis am Skaͤiſchen
Thore endlich, an dieſem Ungluͤcksorte, der
traurige Abſchied die Scene endet — —

Homer war keiner von denen, die ih-
rem Lieblingshelden die ganze Welt auf-
opfern. Seinen Achilles kleidet er in
Gottaͤhnliche Groͤße; Hektor dagegen in
alle Wuͤrde und Zierde des Vertheidigers
ſeiner Geburtsſtadt. Beide Helden konn-
ten in dem Menſchenverderblichen Kriege
nicht auf Einmal glaͤnzen; indeß Jener
alſo einige Tage ruhet, laͤßet er dieſen
ſein Gluͤck aufs hoͤchſte treiben; bis er
durch Anlegung der Waffen Achills die
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[126/0135] Hektors letzter Gang nach Troja iſt bei Homer in jedem Schritte groß und heilig. Der Edle will die zornige Goͤttinn verſoͤh- nen und ſeine geliebte Vaterſtadt entſuͤn- digen; daher er auch den Miſſethaͤter Pa- ris ins Feld fodert, bis am Skaͤiſchen Thore endlich, an dieſem Ungluͤcksorte, der traurige Abſchied die Scene endet — — Homer war keiner von denen, die ih- rem Lieblingshelden die ganze Welt auf- opfern. Seinen Achilles kleidet er in Gottaͤhnliche Groͤße; Hektor dagegen in alle Wuͤrde und Zierde des Vertheidigers ſeiner Geburtsſtadt. Beide Helden konn- ten in dem Menſchenverderblichen Kriege nicht auf Einmal glaͤnzen; indeß Jener alſo einige Tage ruhet, laͤßet er dieſen ſein Gluͤck aufs hoͤchſte treiben; bis er durch Anlegung der Waffen Achills die Nemeſis reizet, und dem Tode ein Opfer

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/135>, abgerufen am 27.11.2024.