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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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Homer darauf gefallen seyn. Wir aber,
die wir die Schwierigkeit und das Ver-
dienst, so einfältig zu seyn, ein wenig ken-
nen, mögen diese Stellen nur lesen, mögen
sie mit Bedacht lesen, und hernach alle
unsre Schreibereien nehmen und ins Feuer
werfen. Das Genie läßt sich fühlen, aber
nicht nachahmen." --

Was Diderot hier von Homers Ein-
falt sagt, möchte ich von seiner Humani-
tät sagen. Man lese seine Beschreibun-
gen des Todes der Erschlagnen, man lese
Hektors Abschied von seinem Weibe und
Kinde, man bemerke jeden Zug, mit dem
der Dichter des Achills erwähnet, inson-
derheit wenn er ihn selbst redend einfüh-
ret, auch was er hie und da über das
Glück und Unglück des menschli-
chen Lebens, über Reichthum, Ehre,
Adel der Seele und des Geschlechts,

I 3

Homer darauf gefallen ſeyn. Wir aber,
die wir die Schwierigkeit und das Ver-
dienſt, ſo einfaͤltig zu ſeyn, ein wenig ken-
nen, moͤgen dieſe Stellen nur leſen, moͤgen
ſie mit Bedacht leſen, und hernach alle
unſre Schreibereien nehmen und ins Feuer
werfen. Das Genie laͤßt ſich fuͤhlen, aber
nicht nachahmen.“ —

Was Diderot hier von Homers Ein-
falt ſagt, moͤchte ich von ſeiner Humani-
taͤt ſagen. Man leſe ſeine Beſchreibun-
gen des Todes der Erſchlagnen, man leſe
Hektors Abſchied von ſeinem Weibe und
Kinde, man bemerke jeden Zug, mit dem
der Dichter des Achills erwaͤhnet, inſon-
derheit wenn er ihn ſelbſt redend einfuͤh-
ret, auch was er hie und da uͤber das
Gluͤck und Ungluͤck des menſchli-
chen Lebens, uͤber Reichthum, Ehre,
Adel der Seele und des Geſchlechts,

I 3
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[133/0142] Homer darauf gefallen ſeyn. Wir aber, die wir die Schwierigkeit und das Ver- dienſt, ſo einfaͤltig zu ſeyn, ein wenig ken- nen, moͤgen dieſe Stellen nur leſen, moͤgen ſie mit Bedacht leſen, und hernach alle unſre Schreibereien nehmen und ins Feuer werfen. Das Genie laͤßt ſich fuͤhlen, aber nicht nachahmen.“ — Was Diderot hier von Homers Ein- falt ſagt, moͤchte ich von ſeiner Humani- taͤt ſagen. Man leſe ſeine Beſchreibun- gen des Todes der Erſchlagnen, man leſe Hektors Abſchied von ſeinem Weibe und Kinde, man bemerke jeden Zug, mit dem der Dichter des Achills erwaͤhnet, inſon- derheit wenn er ihn ſelbſt redend einfuͤh- ret, auch was er hie und da uͤber das Gluͤck und Ungluͤck des menſchli- chen Lebens, uͤber Reichthum, Ehre, Adel der Seele und des Geſchlechts, I 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/142>, abgerufen am 23.11.2024.