Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.Niemand, wie ich glaube. Was sollten sie Schaden uns bringen? Noch ist voll die Welt von Ungeheuern, es herrschet Noch in den Thälern, den Wäldern, den tiefen Klüften der Berge Raubbegierige Wut; allein was gehet sie uns an? Aber welche Gefahr, und welche tödtende Zwietracht Schleicht sich in eine Brust, die von Leiden- schaften nicht rein ist! Wie zerfleischen das Herz die ängstlichen, scharfen Begierden! Wie zernaget die Sorge den Menschen! wie quälet die Furcht ihn! Welche Verwüstungen richtet der Stolz nicht an, und die Geilheit, Und der Uebermuth, das Prassen, die niedrige Faulheit! Niemand, wie ich glaube. Was ſollten ſie Schaden uns bringen? Noch iſt voll die Welt von Ungeheuern, es herrſchet Noch in den Thaͤlern, den Waͤldern, den tiefen Kluͤften der Berge Raubbegierige Wut; allein was gehet ſie uns an? Aber welche Gefahr, und welche toͤdtende Zwietracht Schleicht ſich in eine Bruſt, die von Leiden- ſchaften nicht rein iſt! Wie zerfleiſchen das Herz die aͤngſtlichen, ſcharfen Begierden! Wie zernaget die Sorge den Menſchen! wie quaͤlet die Furcht ihn! Welche Verwuͤſtungen richtet der Stolz nicht an, und die Geilheit, Und der Uebermuth, das Praſſen, die niedrige Faulheit! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0047" n="38"/> <lg n="8"> <l>Niemand, wie ich glaube. Was ſollten ſie</l><lb/> <l>Schaden uns bringen?</l><lb/> <l>Noch iſt voll die Welt von Ungeheuern, es</l><lb/> <l>herrſchet</l><lb/> <l>Noch in den Thaͤlern, den Waͤldern, den tiefen</l><lb/> <l>Kluͤften der Berge</l><lb/> <l>Raubbegierige Wut; allein was gehet ſie uns</l><lb/> <l>an?</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Aber welche Gefahr, und welche toͤdtende</l><lb/> <l>Zwietracht</l><lb/> <l>Schleicht ſich in eine Bruſt, die von Leiden-</l><lb/> <l>ſchaften nicht rein iſt!</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Wie zerfleiſchen das Herz die aͤngſtlichen,</l><lb/> <l>ſcharfen Begierden!</l><lb/> <l>Wie zernaget die Sorge den Menſchen! wie</l><lb/> <l>quaͤlet die Furcht ihn!</l><lb/> <l>Welche Verwuͤſtungen richtet der Stolz nicht</l><lb/> <l>an, und die Geilheit,</l><lb/> <l>Und der Uebermuth, das Praſſen, die niedrige</l><lb/> <l>Faulheit!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [38/0047]
Niemand, wie ich glaube. Was ſollten ſie
Schaden uns bringen?
Noch iſt voll die Welt von Ungeheuern, es
herrſchet
Noch in den Thaͤlern, den Waͤldern, den tiefen
Kluͤften der Berge
Raubbegierige Wut; allein was gehet ſie uns
an?
Aber welche Gefahr, und welche toͤdtende
Zwietracht
Schleicht ſich in eine Bruſt, die von Leiden-
ſchaften nicht rein iſt!
Wie zerfleiſchen das Herz die aͤngſtlichen,
ſcharfen Begierden!
Wie zernaget die Sorge den Menſchen! wie
quaͤlet die Furcht ihn!
Welche Verwuͤſtungen richtet der Stolz nicht
an, und die Geilheit,
Und der Uebermuth, das Praſſen, die niedrige
Faulheit!
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