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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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fühl der Verbindlichkeit gegen die Gesell-
schaft bestehen könne?

Philokles. Daß man Verbindlich-
keiten gegen das menschliche Geschlecht
habe, wird niemand leugnen, der auf den
Namen eines Freundes Anspruch macht.
Schwerlich würde ich dem nur den Na-
men Mensch zugestehen, der nie Jeman-
den Freund genannt oder nie selbst Freund
geheißen hat. Aber wer sich als ein wah-
rer Freund bewährt, der ist Mensch ge-
nug und wird es der Gesellschaft an sich
nicht fehlen lassen. Für meine Person sehe
ich so wenig Großes und Liebenswürdiges
an dem menschlichen Geschlecht, und habe
eine so gleichgültige Meinung von dem
großen Haufen der Gesellschaft, daß ich
mir sehr wenig Vergnügen von der Liebe
zu beiden versprechen kann.


fuͤhl der Verbindlichkeit gegen die Geſell-
ſchaft beſtehen koͤnne?

Philokles. Daß man Verbindlich-
keiten gegen das menſchliche Geſchlecht
habe, wird niemand leugnen, der auf den
Namen eines Freundes Anſpruch macht.
Schwerlich wuͤrde ich dem nur den Na-
men Menſch zugeſtehen, der nie Jeman-
den Freund genannt oder nie ſelbſt Freund
geheißen hat. Aber wer ſich als ein wah-
rer Freund bewaͤhrt, der iſt Menſch ge-
nug und wird es der Geſellſchaft an ſich
nicht fehlen laſſen. Fuͤr meine Perſon ſehe
ich ſo wenig Großes und Liebenswuͤrdiges
an dem menſchlichen Geſchlecht, und habe
eine ſo gleichguͤltige Meinung von dem
großen Haufen der Geſellſchaft, daß ich
mir ſehr wenig Vergnuͤgen von der Liebe
zu beiden verſprechen kann.


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[56/0065] fuͤhl der Verbindlichkeit gegen die Geſell- ſchaft beſtehen koͤnne? Philokles. Daß man Verbindlich- keiten gegen das menſchliche Geſchlecht habe, wird niemand leugnen, der auf den Namen eines Freundes Anſpruch macht. Schwerlich wuͤrde ich dem nur den Na- men Menſch zugeſtehen, der nie Jeman- den Freund genannt oder nie ſelbſt Freund geheißen hat. Aber wer ſich als ein wah- rer Freund bewaͤhrt, der iſt Menſch ge- nug und wird es der Geſellſchaft an ſich nicht fehlen laſſen. Fuͤr meine Perſon ſehe ich ſo wenig Großes und Liebenswuͤrdiges an dem menſchlichen Geſchlecht, und habe eine ſo gleichguͤltige Meinung von dem großen Haufen der Geſellſchaft, daß ich mir ſehr wenig Vergnuͤgen von der Liebe zu beiden verſprechen kann.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/65>, abgerufen am 25.11.2024.