Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite
48.

Gewiß, eine Fabel muß im Kreise der
Gesellschaft erfunden werden. So er-
fand Aesop die Seinen; sie flogen ihm
gleichsam, wie der Hauch lebendiger Ge-
genstände, aus Veranlassungen zu; darum
ist der Geist in ihnen auch jetzo noch le-
bendig. So sind des la Fontaine,
Gleims, und aller guten Fabeldichter
Erzählungen entstanden; selbst wenn sie
alte Erfindungen aufnahmen, verjüngten
sie diese, und erzählten sie jetzt für ihre
Gesellschaft. Wer sich hinsetzt und eine
trockene Lehre, einen dürren Sittenspruch

48.

Gewiß, eine Fabel muß im Kreiſe der
Geſellſchaft erfunden werden. So er-
fand Aeſop die Seinen; ſie flogen ihm
gleichſam, wie der Hauch lebendiger Ge-
genſtaͤnde, aus Veranlaſſungen zu; darum
iſt der Geiſt in ihnen auch jetzo noch le-
bendig. So ſind des la Fontaine,
Gleims, und aller guten Fabeldichter
Erzaͤhlungen entſtanden; ſelbſt wenn ſie
alte Erfindungen aufnahmen, verjuͤngten
ſie dieſe, und erzaͤhlten ſie jetzt fuͤr ihre
Geſellſchaft. Wer ſich hinſetzt und eine
trockene Lehre, einen duͤrren Sittenſpruch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0114" n="109"/>
      <div n="1">
        <head>48.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">G</hi>ewiß, eine <hi rendition="#g">Fabel</hi> muß im Krei&#x017F;e der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft erfunden werden. So er-<lb/>
fand <hi rendition="#g">Ae&#x017F;op</hi> die Seinen; &#x017F;ie flogen ihm<lb/>
gleich&#x017F;am, wie der Hauch lebendiger Ge-<lb/>
gen&#x017F;ta&#x0364;nde, aus Veranla&#x017F;&#x017F;ungen zu; darum<lb/>
i&#x017F;t der Gei&#x017F;t in ihnen auch jetzo noch le-<lb/>
bendig. So &#x017F;ind des <hi rendition="#g">la Fontaine</hi>,<lb/><hi rendition="#g">Gleims</hi>, und aller guten Fabeldichter<lb/>
Erza&#x0364;hlungen ent&#x017F;tanden; &#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;ie<lb/>
alte Erfindungen aufnahmen, verju&#x0364;ngten<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;e, und erza&#x0364;hlten &#x017F;ie jetzt fu&#x0364;r <hi rendition="#g">ihre</hi><lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Wer &#x017F;ich hin&#x017F;etzt und eine<lb/>
trockene Lehre, einen du&#x0364;rren Sitten&#x017F;pruch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0114] 48. Gewiß, eine Fabel muß im Kreiſe der Geſellſchaft erfunden werden. So er- fand Aeſop die Seinen; ſie flogen ihm gleichſam, wie der Hauch lebendiger Ge- genſtaͤnde, aus Veranlaſſungen zu; darum iſt der Geiſt in ihnen auch jetzo noch le- bendig. So ſind des la Fontaine, Gleims, und aller guten Fabeldichter Erzaͤhlungen entſtanden; ſelbſt wenn ſie alte Erfindungen aufnahmen, verjuͤngten ſie dieſe, und erzaͤhlten ſie jetzt fuͤr ihre Geſellſchaft. Wer ſich hinſetzt und eine trockene Lehre, einen duͤrren Sittenſpruch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/114
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/114>, abgerufen am 24.11.2024.