Studium liebgewinnen, so würde man weit gelangen, nicht nur in Rücksicht auf Be- quemlichkeit des Lebens und der Gesund- heit, sondern in Rücksicht auf Weisheit, Tugend und Glück; statt dessen, daß man sich jetzt mit Kleinigkeiten abgiebt, die uns ergötzen, nicht aber vervollkommnen und veredeln. Unter Vollkommenheiten rechne ich nichts, als was uns auch nach diesem Leben bleiben kann; die Känntniß von factis ist wie die Känntniß der Straßen in London. Sie ist gut, so lange man dort ist."
"Das göttliche Naturlicht in uns zu vermehren, hat man dreierlei zu thun nöthig. *) Zuerst sammle man eine Känntniß der vortreflichen Erfindungen, die schon gemacht sind; sodann erforsche man, was noch zu entdecken ist; endlich bringe
*)Feller. p. 19.
Studium liebgewinnen, ſo wuͤrde man weit gelangen, nicht nur in Ruͤckſicht auf Be- quemlichkeit des Lebens und der Geſund- heit, ſondern in Ruͤckſicht auf Weisheit, Tugend und Gluͤck; ſtatt deſſen, daß man ſich jetzt mit Kleinigkeiten abgiebt, die uns ergoͤtzen, nicht aber vervollkommnen und veredeln. Unter Vollkommenheiten rechne ich nichts, als was uns auch nach dieſem Leben bleiben kann; die Kaͤnntniß von factis iſt wie die Kaͤnntniß der Straßen in London. Sie iſt gut, ſo lange man dort iſt.“
„Das goͤttliche Naturlicht in uns zu vermehren, hat man dreierlei zu thun noͤthig. *) Zuerſt ſammle man eine Kaͤnntniß der vortreflichen Erfindungen, die ſchon gemacht ſind; ſodann erforſche man, was noch zu entdecken iſt; endlich bringe
*)Feller. p. 19.
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Studium liebgewinnen, ſo wuͤrde man weit
gelangen, nicht nur in Ruͤckſicht auf Be-
quemlichkeit des Lebens und der Geſund-
heit, ſondern in Ruͤckſicht auf Weisheit,
Tugend und Gluͤck; ſtatt deſſen, daß man
ſich jetzt mit Kleinigkeiten abgiebt, die uns
ergoͤtzen, nicht aber vervollkommnen und
veredeln. Unter Vollkommenheiten rechne
ich nichts, als was uns auch nach dieſem
Leben bleiben kann; die Kaͤnntniß von factis
iſt wie die Kaͤnntniß der Straßen in London.
Sie iſt gut, ſo lange man dort iſt.“
„Das goͤttliche Naturlicht in uns
zu vermehren, hat man dreierlei zu
thun noͤthig. *) Zuerſt ſammle man eine
Kaͤnntniß der vortreflichen Erfindungen, die
ſchon gemacht ſind; ſodann erforſche man,
was noch zu entdecken iſt; endlich bringe
*) Feller. p. 19.
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/190>, abgerufen am 17.02.2025.
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