Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

sagt ward. Wenn nun ein unfreundlicher
Dämon uns die Brust zusammendrückte,
sollten wir künftigen Geschlechtern nicht ei-
nen glücklichern Dämon gönnen? Und da
vom Menschen-Schicksal viel, sehr viel
in der Hand der Menschen, in ihrem Wil-
len, in ihrer Verfassung und Einrichtung
liegt: könnte uns zu Beförderung solcher
Anstalten wohl ein Grönländer, der aus
seiner Höle gezogen ward, oder nicht viel-
mehr ein Grieche, der ein Mensch wie
wir war und als ein Gottesbild dasteht,
erwecken und reizen? --

An den Körpern betrachte man der
Griechen Kleidung. Die unsre hat Pe-
nia, die Dürftigkeit selbst erfunden, und
eine Megära des Luxus und der Unver-
nunft vollendet. Die Kleidung unsrer
Weiber entsprang aus der armen Schürze,
die man noch bei Negern und Wilden

ſagt ward. Wenn nun ein unfreundlicher
Daͤmon uns die Bruſt zuſammendruͤckte,
ſollten wir kuͤnftigen Geſchlechtern nicht ei-
nen gluͤcklichern Daͤmon goͤnnen? Und da
vom Menſchen-Schickſal viel, ſehr viel
in der Hand der Menſchen, in ihrem Wil-
len, in ihrer Verfaſſung und Einrichtung
liegt: koͤnnte uns zu Befoͤrderung ſolcher
Anſtalten wohl ein Groͤnlaͤnder, der aus
ſeiner Hoͤle gezogen ward, oder nicht viel-
mehr ein Grieche, der ein Menſch wie
wir war und als ein Gottesbild daſteht,
erwecken und reizen? —

An den Koͤrpern betrachte man der
Griechen Kleidung. Die unſre hat Pe-
nia, die Duͤrftigkeit ſelbſt erfunden, und
eine Megaͤra des Luxus und der Unver-
nunft vollendet. Die Kleidung unſrer
Weiber entſprang aus der armen Schuͤrze,
die man noch bei Negern und Wilden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="84"/>
&#x017F;agt ward. Wenn nun ein unfreundlicher<lb/>
Da&#x0364;mon <hi rendition="#g">uns</hi> die Bru&#x017F;t zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckte,<lb/>
&#x017F;ollten wir ku&#x0364;nftigen Ge&#x017F;chlechtern nicht ei-<lb/>
nen glu&#x0364;cklichern Da&#x0364;mon go&#x0364;nnen? Und da<lb/>
vom Men&#x017F;chen-Schick&#x017F;al viel, &#x017F;ehr viel<lb/>
in der Hand der Men&#x017F;chen, in ihrem Wil-<lb/>
len, in ihrer Verfa&#x017F;&#x017F;ung und Einrichtung<lb/>
liegt: ko&#x0364;nnte uns zu Befo&#x0364;rderung &#x017F;olcher<lb/>
An&#x017F;talten wohl ein Gro&#x0364;nla&#x0364;nder, der aus<lb/>
&#x017F;einer Ho&#x0364;le gezogen ward, oder nicht viel-<lb/>
mehr ein Grieche, der ein Men&#x017F;ch wie<lb/>
wir war und als ein Gottesbild da&#x017F;teht,<lb/>
erwecken und reizen? &#x2014;</p><lb/>
        <p>An den Ko&#x0364;rpern betrachte man der<lb/>
Griechen Kleidung. Die un&#x017F;re hat <hi rendition="#g">Pe</hi>-<lb/><hi rendition="#g">nia</hi>, die Du&#x0364;rftigkeit &#x017F;elb&#x017F;t erfunden, und<lb/>
eine <hi rendition="#g">Mega&#x0364;ra</hi> des Luxus und der Unver-<lb/>
nunft vollendet. Die Kleidung un&#x017F;rer<lb/>
Weiber ent&#x017F;prang aus der armen Schu&#x0364;rze,<lb/>
die man noch bei Negern und Wilden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0099] ſagt ward. Wenn nun ein unfreundlicher Daͤmon uns die Bruſt zuſammendruͤckte, ſollten wir kuͤnftigen Geſchlechtern nicht ei- nen gluͤcklichern Daͤmon goͤnnen? Und da vom Menſchen-Schickſal viel, ſehr viel in der Hand der Menſchen, in ihrem Wil- len, in ihrer Verfaſſung und Einrichtung liegt: koͤnnte uns zu Befoͤrderung ſolcher Anſtalten wohl ein Groͤnlaͤnder, der aus ſeiner Hoͤle gezogen ward, oder nicht viel- mehr ein Grieche, der ein Menſch wie wir war und als ein Gottesbild daſteht, erwecken und reizen? — An den Koͤrpern betrachte man der Griechen Kleidung. Die unſre hat Pe- nia, die Duͤrftigkeit ſelbſt erfunden, und eine Megaͤra des Luxus und der Unver- nunft vollendet. Die Kleidung unſrer Weiber entſprang aus der armen Schuͤrze, die man noch bei Negern und Wilden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/99
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/99>, abgerufen am 24.11.2024.