Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Aeschylus, Sophokles, Euripides
gelesen, commentirt, übersetzt und emen-
diret; aus dem Allen aber ist kein zweiter
Shakespeare worden.

Zweitens. Zu viele Proben haben
es erwiesen, daß die Alten kennen und
nachahmen, uns ihnen noch nicht gleich
stelle, da ihre gelehrtesten Kenner oft die
unglücklichsten Schöpfer gewesen. Wie
ging es dem Trissino mit seinem befrei-
ten Italien? dem Gravina und Maffei
mit ihren Drama's im Geschmack der Al-
ten? Die gelehrten Kenner der Alten,
Casa, Bembo u. f. überstiegen den Pe-
trarka nicht; den Chiabrera, Redi,
Filicaja, Lemene vermochte ihre Kännt-
niß der Alten und ihre Gelehrsamkeit sogar
vor dem bösen Geschmack ihrer Zeit nicht zu
sichern. Unter den Engländern war Cow-
ley mit den Alten sehr bekannt; er schrieb

Aeſchylus, Sophokles, Euripides
geleſen, commentirt, uͤberſetzt und emen-
diret; aus dem Allen aber iſt kein zweiter
Shakeſpeare worden.

Zweitens. Zu viele Proben haben
es erwieſen, daß die Alten kennen und
nachahmen, uns ihnen noch nicht gleich
ſtelle, da ihre gelehrteſten Kenner oft die
ungluͤcklichſten Schoͤpfer geweſen. Wie
ging es dem Triſſino mit ſeinem befrei-
ten Italien? dem Gravina und Maffei
mit ihren Drama's im Geſchmack der Al-
ten? Die gelehrten Kenner der Alten,
Caſa, Bembo u. f. uͤberſtiegen den Pe-
trarka nicht; den Chiabrera, Redi,
Filicaja, Lemene vermochte ihre Kaͤnnt-
niß der Alten und ihre Gelehrſamkeit ſogar
vor dem boͤſen Geſchmack ihrer Zeit nicht zu
ſichern. Unter den Englaͤndern war Cow-
ley mit den Alten ſehr bekannt; er ſchrieb

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="18"/><hi rendition="#g">Ae&#x017F;chylus</hi>, <hi rendition="#g">Sophokles</hi>, <hi rendition="#g">Euripides</hi><lb/>
gele&#x017F;en, commentirt, u&#x0364;ber&#x017F;etzt und emen-<lb/>
diret; aus dem Allen aber i&#x017F;t kein zweiter<lb/><hi rendition="#g">Shake&#x017F;peare</hi> worden.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Zweitens</hi>. Zu viele Proben haben<lb/>
es erwie&#x017F;en, daß die Alten kennen und<lb/>
nachahmen, uns ihnen noch nicht gleich<lb/>
&#x017F;telle, da ihre gelehrte&#x017F;ten Kenner oft die<lb/>
unglu&#x0364;cklich&#x017F;ten Scho&#x0364;pfer gewe&#x017F;en. Wie<lb/>
ging es dem <hi rendition="#g">Tri&#x017F;&#x017F;ino</hi> mit &#x017F;einem befrei-<lb/>
ten Italien? dem <hi rendition="#g">Gravina</hi> und <hi rendition="#g">Maffei</hi><lb/>
mit ihren Drama's im Ge&#x017F;chmack der Al-<lb/>
ten? Die gelehrten Kenner der Alten,<lb/><hi rendition="#g">Ca&#x017F;a</hi>, <hi rendition="#g">Bembo</hi> u. f. u&#x0364;ber&#x017F;tiegen den <hi rendition="#g">Pe</hi>-<lb/><hi rendition="#g">trarka</hi> nicht; den <hi rendition="#g">Chiabrera</hi>, <hi rendition="#g">Redi</hi>,<lb/><hi rendition="#g">Filicaja</hi>, <hi rendition="#g">Lemene</hi> vermochte ihre Ka&#x0364;nnt-<lb/>
niß der Alten und ihre Gelehr&#x017F;amkeit &#x017F;ogar<lb/>
vor dem bo&#x0364;&#x017F;en Ge&#x017F;chmack ihrer Zeit nicht zu<lb/>
&#x017F;ichern. Unter den Engla&#x0364;ndern war <hi rendition="#g">Cow</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ley</hi> mit den Alten &#x017F;ehr bekannt; er &#x017F;chrieb<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0037] Aeſchylus, Sophokles, Euripides geleſen, commentirt, uͤberſetzt und emen- diret; aus dem Allen aber iſt kein zweiter Shakeſpeare worden. Zweitens. Zu viele Proben haben es erwieſen, daß die Alten kennen und nachahmen, uns ihnen noch nicht gleich ſtelle, da ihre gelehrteſten Kenner oft die ungluͤcklichſten Schoͤpfer geweſen. Wie ging es dem Triſſino mit ſeinem befrei- ten Italien? dem Gravina und Maffei mit ihren Drama's im Geſchmack der Al- ten? Die gelehrten Kenner der Alten, Caſa, Bembo u. f. uͤberſtiegen den Pe- trarka nicht; den Chiabrera, Redi, Filicaja, Lemene vermochte ihre Kaͤnnt- niß der Alten und ihre Gelehrſamkeit ſogar vor dem boͤſen Geſchmack ihrer Zeit nicht zu ſichern. Unter den Englaͤndern war Cow- ley mit den Alten ſehr bekannt; er ſchrieb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/37
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/37>, abgerufen am 22.12.2024.