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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

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Sinn liegen muß? daß niemand richtig und
bestimmt denken kann, als wer sich des
eigentlichsten, gemeinsten, plattesten Ausdrucks
bedienet? daß, den kalten symbolischen Ideen
auf irgend eine Art etwas von der Wärme
und dem Leben natürlicher Zeichen zu geben
suchen, der Wahrheit schlechterdings schade?

Wie lächerlich, die Tiefe einer Wunde nicht
dem scharfen, sondern dem blanken Schwerdt
zuzuschreiben? Wie lächerlich also auch, die
Ueberlegenheit, welche die Wahrheit einem
Gegner über uns giebt, einem blendenden
Style desselben zuzuschreiben! Ich kenne kei-
nen blendenden Styl, der seinen Glanz nicht
von der Wahrheit mehr oder weniger entleh-
net. Wahrheit allein giebt echten Glanz; und
muß auch bei Spötterei und Posse, wenig-
stens als Folie, unterliegen. Also von der
Wahrheit lasset uns sprechen und nicht vom
Styl. Den Meinen gebe ich aller Welt Preis. *)

*) Th. 6. S. 174. f.
K 2

Sinn liegen muß? daß niemand richtig und
beſtimmt denken kann, als wer ſich des
eigentlichſten, gemeinſten, platteſten Ausdrucks
bedienet? daß, den kalten ſymboliſchen Ideen
auf irgend eine Art etwas von der Waͤrme
und dem Leben natuͤrlicher Zeichen zu geben
ſuchen, der Wahrheit ſchlechterdings ſchade?

Wie laͤcherlich, die Tiefe einer Wunde nicht
dem ſcharfen, ſondern dem blanken Schwerdt
zuzuſchreiben? Wie laͤcherlich alſo auch, die
Ueberlegenheit, welche die Wahrheit einem
Gegner uͤber uns giebt, einem blendenden
Style deſſelben zuzuſchreiben! Ich kenne kei-
nen blendenden Styl, der ſeinen Glanz nicht
von der Wahrheit mehr oder weniger entleh-
net. Wahrheit allein giebt echten Glanz; und
muß auch bei Spoͤtterei und Poſſe, wenig-
ſtens als Folie, unterliegen. Alſo von der
Wahrheit laſſet uns ſprechen und nicht vom
Styl. Den Meinen gebe ich aller Welt Preis. *)

*) Th. 6. S. 174. f.
K 2
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[147/0154] Sinn liegen muß? daß niemand richtig und beſtimmt denken kann, als wer ſich des eigentlichſten, gemeinſten, platteſten Ausdrucks bedienet? daß, den kalten ſymboliſchen Ideen auf irgend eine Art etwas von der Waͤrme und dem Leben natuͤrlicher Zeichen zu geben ſuchen, der Wahrheit ſchlechterdings ſchade? Wie laͤcherlich, die Tiefe einer Wunde nicht dem ſcharfen, ſondern dem blanken Schwerdt zuzuſchreiben? Wie laͤcherlich alſo auch, die Ueberlegenheit, welche die Wahrheit einem Gegner uͤber uns giebt, einem blendenden Style deſſelben zuzuſchreiben! Ich kenne kei- nen blendenden Styl, der ſeinen Glanz nicht von der Wahrheit mehr oder weniger entleh- net. Wahrheit allein giebt echten Glanz; und muß auch bei Spoͤtterei und Poſſe, wenig- ſtens als Folie, unterliegen. Alſo von der Wahrheit laſſet uns ſprechen und nicht vom Styl. Den Meinen gebe ich aller Welt Preis. *) *) Th. 6. S. 174. f. K 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/154>, abgerufen am 21.11.2024.