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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

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vereiteln können; und ich fühle mich sofort
in der Befassung, in welcher sich jeder
Mensch, der dieses Namens noch würdig
ist, bei Erblickung eines ausgesetzten Kin-
des befindet. Er begnügt sich nicht, ihm
nur nicht vollends den Garaus zu machen,
es unbeschädigt und ungestört da liegen zu
lassen, wo er es findet; er schafft oder
trägt es in das Findelhaus, damit es we-
nigstens Taufe und Namen erhalte. Gera-
de so wünschte ich wenigstens (denn was wä-
re es nun, wenn auch darum noch so viel
Lumpen mehr dergestalt verarbeitet werden
müßten, daß sie Spuren eines unsterblichen
Geistes zu tragen fähig würden?) wünschte
ich wenigstens alle und jede ausgesetzte
Geburten des Geistes mit eins in das gro-
ße für sie bestimmte Findelhaus der Dru-
ckerei bringen zu können: und wenn ich
deren selbst nur wenige wirklich dahin

vereiteln koͤnnen; und ich fuͤhle mich ſofort
in der Befaſſung, in welcher ſich jeder
Menſch, der dieſes Namens noch wuͤrdig
iſt, bei Erblickung eines ausgeſetzten Kin-
des befindet. Er begnuͤgt ſich nicht, ihm
nur nicht vollends den Garaus zu machen,
es unbeſchaͤdigt und ungeſtoͤrt da liegen zu
laſſen, wo er es findet; er ſchafft oder
traͤgt es in das Findelhaus, damit es we-
nigſtens Taufe und Namen erhalte. Gera-
de ſo wuͤnſchte ich wenigſtens (denn was waͤ-
re es nun, wenn auch darum noch ſo viel
Lumpen mehr dergeſtalt verarbeitet werden
muͤßten, daß ſie Spuren eines unſterblichen
Geiſtes zu tragen faͤhig wuͤrden?) wuͤnſchte
ich wenigſtens alle und jede ausgeſetzte
Geburten des Geiſtes mit eins in das gro-
ße fuͤr ſie beſtimmte Findelhaus der Dru-
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[159/0166] vereiteln koͤnnen; und ich fuͤhle mich ſofort in der Befaſſung, in welcher ſich jeder Menſch, der dieſes Namens noch wuͤrdig iſt, bei Erblickung eines ausgeſetzten Kin- des befindet. Er begnuͤgt ſich nicht, ihm nur nicht vollends den Garaus zu machen, es unbeſchaͤdigt und ungeſtoͤrt da liegen zu laſſen, wo er es findet; er ſchafft oder traͤgt es in das Findelhaus, damit es we- nigſtens Taufe und Namen erhalte. Gera- de ſo wuͤnſchte ich wenigſtens (denn was waͤ- re es nun, wenn auch darum noch ſo viel Lumpen mehr dergeſtalt verarbeitet werden muͤßten, daß ſie Spuren eines unſterblichen Geiſtes zu tragen faͤhig wuͤrden?) wuͤnſchte ich wenigſtens alle und jede ausgeſetzte Geburten des Geiſtes mit eins in das gro- ße fuͤr ſie beſtimmte Findelhaus der Dru- ckerei bringen zu koͤnnen: und wenn ich deren ſelbſt nur wenige wirklich dahin

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/166>, abgerufen am 18.12.2024.