Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.25. "Krank will ich wohl einmahl seyn; aber 25. „Krank will ich wohl einmahl ſeyn; aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0094" n="87"/> <p>25.</p><lb/> <p>„Krank will ich wohl einmahl ſeyn; aber<lb/> ſterben will ich deßwegen noch nicht. Alle<lb/> Veraͤnderungen unſeres Temperaments, glau-<lb/> be ich, ſind mit Handlungen unſrer animali-<lb/> ſchen Oekonomie verbunden. Die ernſtliche<lb/> Epoche meines Lebens nahet heran! ich begin-<lb/> ne ein Mann zu werden, und ſchmeichle mir,<lb/> daß ich in dieſem hitzigen Fieber den letzten<lb/> Reſt meiner jugendlichen Thorheiten verra-<lb/> ſet habe. Gluͤckliche Krankheit! Aber ſoll-<lb/> ten ſich wohl Dichter eine athletiſche Geſund-<lb/> heit wuͤnſchen? Sollte der Phantaſie, der<lb/> Empfindung nicht ein gewiſſer Grad von Un-<lb/> paͤßlichkeit weit zutraͤglicher ſeyn? Wuͤnſchen<lb/> Sie mich alſo geſund, aber wo moͤglich mit<lb/> einem kleinen Denkzeichen, das dem Dich-<lb/> ter von Zeit zu Zeit den hinfaͤlligen Menſchen<lb/> empfinden laſſe, und ihm zu Gemuͤth fuͤhre,<lb/> daß nicht alle Tragici mit dem Sophokles<lb/> neunzig Jahr werden; aber, wenn ſie es auch<lb/> wuͤrden, daß Sophokles auch an die neunzig<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [87/0094]
25.
„Krank will ich wohl einmahl ſeyn; aber
ſterben will ich deßwegen noch nicht. Alle
Veraͤnderungen unſeres Temperaments, glau-
be ich, ſind mit Handlungen unſrer animali-
ſchen Oekonomie verbunden. Die ernſtliche
Epoche meines Lebens nahet heran! ich begin-
ne ein Mann zu werden, und ſchmeichle mir,
daß ich in dieſem hitzigen Fieber den letzten
Reſt meiner jugendlichen Thorheiten verra-
ſet habe. Gluͤckliche Krankheit! Aber ſoll-
ten ſich wohl Dichter eine athletiſche Geſund-
heit wuͤnſchen? Sollte der Phantaſie, der
Empfindung nicht ein gewiſſer Grad von Un-
paͤßlichkeit weit zutraͤglicher ſeyn? Wuͤnſchen
Sie mich alſo geſund, aber wo moͤglich mit
einem kleinen Denkzeichen, das dem Dich-
ter von Zeit zu Zeit den hinfaͤlligen Menſchen
empfinden laſſe, und ihm zu Gemuͤth fuͤhre,
daß nicht alle Tragici mit dem Sophokles
neunzig Jahr werden; aber, wenn ſie es auch
wuͤrden, daß Sophokles auch an die neunzig
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