Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

gar wegnehmen und ihr das Kriegsbeil
in die Hand geben. Eine fremde unvor-
hergesehene Uebergewalt störte das schöne
Projekt der Wilden zum Frieden unter ein-
ander; und dies wird jedesmal der Fall seyn,
solange der Baum des Friedens nicht mit
vesten, unausreißbaren Wurzeln von In-
nen heraus den Nationen blühet.

Wie manche andre Mittel haben die
Menschen schon versucht, Streitsüchtigen
Nationen Einhalt zu thun und ihnen die
Wege zu sperren. Zwischen Gebürgen wur-
den ungeheure Mauern errichtet, Zwischen-
länder zur Wüste gemacht, abschreckende
Fabeln ersonnen und in diese Wüste ge-
pflanzet. In Asien sollte ein heiliges
Reich
den Streifereien der Mogolen ein
Ziel setzen; der große Lama sollte die
Friedensfrau seyn. In Afrika wurden
Obelisken und Tempel die Freistäten

gar wegnehmen und ihr das Kriegsbeil
in die Hand geben. Eine fremde unvor-
hergeſehene Uebergewalt ſtoͤrte das ſchoͤne
Projekt der Wilden zum Frieden unter ein-
ander; und dies wird jedesmal der Fall ſeyn,
ſolange der Baum des Friedens nicht mit
veſten, unausreißbaren Wurzeln von In-
nen heraus den Nationen bluͤhet.

Wie manche andre Mittel haben die
Menſchen ſchon verſucht, Streitſuͤchtigen
Nationen Einhalt zu thun und ihnen die
Wege zu ſperren. Zwiſchen Gebuͤrgen wur-
den ungeheure Mauern errichtet, Zwiſchen-
laͤnder zur Wuͤſte gemacht, abſchreckende
Fabeln erſonnen und in dieſe Wuͤſte ge-
pflanzet. In Aſien ſollte ein heiliges
Reich
den Streifereien der Mogolen ein
Ziel ſetzen; der große Lama ſollte die
Friedensfrau ſeyn. In Afrika wurden
Obelisken und Tempel die Freiſtaͤten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="119"/>
gar wegnehmen und ihr das Kriegsbeil<lb/>
in die Hand geben. Eine fremde unvor-<lb/>
herge&#x017F;ehene Uebergewalt &#x017F;to&#x0364;rte das &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Projekt der Wilden zum Frieden unter ein-<lb/>
ander; und dies wird jedesmal der Fall &#x017F;eyn,<lb/>
&#x017F;olange der Baum des Friedens nicht mit<lb/>
ve&#x017F;ten, unausreißbaren Wurzeln <hi rendition="#g">von In</hi>-<lb/><hi rendition="#g">nen heraus</hi> den Nationen blu&#x0364;het.</p><lb/>
          <p>Wie manche andre Mittel haben die<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;chon ver&#x017F;ucht, Streit&#x017F;u&#x0364;chtigen<lb/>
Nationen Einhalt zu thun und ihnen die<lb/>
Wege zu &#x017F;perren. Zwi&#x017F;chen Gebu&#x0364;rgen wur-<lb/>
den ungeheure Mauern errichtet, Zwi&#x017F;chen-<lb/>
la&#x0364;nder zur Wu&#x0364;&#x017F;te gemacht, ab&#x017F;chreckende<lb/>
Fabeln er&#x017F;onnen und in die&#x017F;e Wu&#x0364;&#x017F;te ge-<lb/>
pflanzet. In A&#x017F;ien &#x017F;ollte ein <hi rendition="#g">heiliges<lb/>
Reich</hi> den Streifereien der Mogolen ein<lb/>
Ziel &#x017F;etzen; der <hi rendition="#g">große Lama</hi> &#x017F;ollte die<lb/>
Friedensfrau &#x017F;eyn. In Afrika wurden<lb/>
Obelisken und Tempel die <hi rendition="#g">Frei&#x017F;ta&#x0364;ten</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0126] gar wegnehmen und ihr das Kriegsbeil in die Hand geben. Eine fremde unvor- hergeſehene Uebergewalt ſtoͤrte das ſchoͤne Projekt der Wilden zum Frieden unter ein- ander; und dies wird jedesmal der Fall ſeyn, ſolange der Baum des Friedens nicht mit veſten, unausreißbaren Wurzeln von In- nen heraus den Nationen bluͤhet. Wie manche andre Mittel haben die Menſchen ſchon verſucht, Streitſuͤchtigen Nationen Einhalt zu thun und ihnen die Wege zu ſperren. Zwiſchen Gebuͤrgen wur- den ungeheure Mauern errichtet, Zwiſchen- laͤnder zur Wuͤſte gemacht, abſchreckende Fabeln erſonnen und in dieſe Wuͤſte ge- pflanzet. In Aſien ſollte ein heiliges Reich den Streifereien der Mogolen ein Ziel ſetzen; der große Lama ſollte die Friedensfrau ſeyn. In Afrika wurden Obelisken und Tempel die Freiſtaͤten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/126
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/126>, abgerufen am 21.11.2024.