Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.Umhüllete der Schlaf mein Auge, bis Der Geist der Schöpfung stand vor mir und sprach: "Steh auf, o Mensch! Du hast genug geruht Auf diesem Beet von zehen tausend Pflanzen Und Kräutern meines Herrn. Du bist gestärkt. Die Hindinn dort will auch verschmachten. Scheu Erwartet sie, daß du aufstehest." -- Auf Sprang ich und sah die Hindinn mir zu Füßen, Die Mutter war. Sie blickte froh mich an, Und sprang zu ihrer Weide. "Guter Gott, Rief ich, der du für Alles sorgest. Wenn Dein Wink dort Sonnen lenkt, so denkst du auch Des Wandrers in der Wüste, daß sein Stab Nicht breche, daß die Hindinn nicht verschmachte." Umhuͤllete der Schlaf mein Auge, bis Der Geiſt der Schoͤpfung ſtand vor mir und ſprach: „Steh auf, o Menſch! Du haſt genug geruht Auf dieſem Beet von zehen tauſend Pflanzen Und Kraͤutern meines Herrn. Du biſt geſtaͤrkt. Die Hindinn dort will auch verſchmachten. Scheu Erwartet ſie, daß du aufſteheſt.“ — Auf Sprang ich und ſah die Hindinn mir zu Fuͤßen, Die Mutter war. Sie blickte froh mich an, Und ſprang zu ihrer Weide. „Guter Gott, Rief ich, der du fuͤr Alles ſorgeſt. Wenn Dein Wink dort Sonnen lenkt, ſo denkſt du auch Des Wandrers in der Wuͤſte, daß ſein Stab Nicht breche, daß die Hindinn nicht verſchmachte.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0196" n="189"/> <l>Umhuͤllete der Schlaf mein Auge, bis</l><lb/> <l>Ein Wundertraum mich ſchnell erweckete.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Geiſt der Schoͤpfung ſtand vor mir</l><lb/> <l>und ſprach:</l><lb/> <l>„Steh auf, o Menſch! Du haſt genug geruht</l><lb/> <l>Auf dieſem Beet von zehen tauſend Pflanzen</l><lb/> <l>Und Kraͤutern meines Herrn. Du biſt geſtaͤrkt.</l><lb/> <l>Die Hindinn dort will auch verſchmachten.</l><lb/> <l>Scheu</l><lb/> <l>Erwartet ſie, daß du aufſteheſt.“ — Auf</l><lb/> <l>Sprang ich und ſah die Hindinn mir zu Fuͤßen,</l><lb/> <l>Die Mutter war. Sie blickte froh mich an,</l><lb/> <l>Und ſprang zu ihrer Weide.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>„Guter Gott,</l><lb/> <l>Rief ich, der du fuͤr Alles ſorgeſt. Wenn</l><lb/> <l>Dein Wink dort Sonnen lenkt, ſo denkſt du</l><lb/> <l>auch</l><lb/> <l>Des Wandrers in der Wuͤſte, daß ſein Stab</l><lb/> <l>Nicht breche, daß die Hindinn nicht verſchmachte.“</l> </lg> </lg><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [189/0196]
Umhuͤllete der Schlaf mein Auge, bis
Ein Wundertraum mich ſchnell erweckete.
Der Geiſt der Schoͤpfung ſtand vor mir
und ſprach:
„Steh auf, o Menſch! Du haſt genug geruht
Auf dieſem Beet von zehen tauſend Pflanzen
Und Kraͤutern meines Herrn. Du biſt geſtaͤrkt.
Die Hindinn dort will auch verſchmachten.
Scheu
Erwartet ſie, daß du aufſteheſt.“ — Auf
Sprang ich und ſah die Hindinn mir zu Fuͤßen,
Die Mutter war. Sie blickte froh mich an,
Und ſprang zu ihrer Weide.
„Guter Gott,
Rief ich, der du fuͤr Alles ſorgeſt. Wenn
Dein Wink dort Sonnen lenkt, ſo denkſt du
auch
Des Wandrers in der Wuͤſte, daß ſein Stab
Nicht breche, daß die Hindinn nicht verſchmachte.“
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