Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundsätze zu veranlassen, ihnen die grö-
ßeste Pflicht. Um schwarze Thaten, wilde
Neigungen zu rechtfertigen stützt man sich
gern auf verachtende Urtheile über andre
Völker. Pabst Niklas der fünfte hat,
(es ist schon lange) die unbekannte Welt
verschenkt; den weißen und edleren Men-
schen hat er alle Ungläubige zu Sklaven
zu machen, pontificalisch erlaubet. Mit
unsern Bullen kommen wir zu spät. Der
Kakistokratismus behauptet praktisch seine
Rechte, ohne daß wir ihn dazu theoretisch
bevollmächtigen und deßhalb die Geschichte
der Menschheit umkehren müßten. Aeußerte
z. B. jemand die Meinung, daß "wenn
erwiesen werden kann, daß ohne Neger
keine Kaffee- Zucker- Reis- und Tobacks-
pflanzungen bestehen können, so sei zu-
gleich die Rechtmäßigkeit des Neger-
handels bewiesen, indem dieser Handel

Grundſaͤtze zu veranlaſſen, ihnen die groͤ-
ßeſte Pflicht. Um ſchwarze Thaten, wilde
Neigungen zu rechtfertigen ſtuͤtzt man ſich
gern auf verachtende Urtheile uͤber andre
Voͤlker. Pabſt Niklas der fuͤnfte hat,
(es iſt ſchon lange) die unbekannte Welt
verſchenkt; den weißen und edleren Men-
ſchen hat er alle Unglaͤubige zu Sklaven
zu machen, pontificaliſch erlaubet. Mit
unſern Bullen kommen wir zu ſpaͤt. Der
Kakiſtokratismus behauptet praktiſch ſeine
Rechte, ohne daß wir ihn dazu theoretiſch
bevollmaͤchtigen und deßhalb die Geſchichte
der Menſchheit umkehren muͤßten. Aeußerte
z. B. jemand die Meinung, daß „wenn
erwieſen werden kann, daß ohne Neger
keine Kaffee- Zucker- Reis- und Tobacks-
pflanzungen beſtehen koͤnnen, ſo ſei zu-
gleich die Rechtmaͤßigkeit des Neger-
handels bewieſen, indem dieſer Handel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="72"/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze zu veranla&#x017F;&#x017F;en, ihnen die gro&#x0364;-<lb/>
ße&#x017F;te Pflicht. Um &#x017F;chwarze Thaten, wilde<lb/>
Neigungen zu rechtfertigen &#x017F;tu&#x0364;tzt man &#x017F;ich<lb/>
gern auf verachtende Urtheile u&#x0364;ber andre<lb/>
Vo&#x0364;lker. Pab&#x017F;t <hi rendition="#g">Niklas</hi> der fu&#x0364;nfte hat,<lb/>
(es i&#x017F;t &#x017F;chon lange) die unbekannte Welt<lb/>
ver&#x017F;chenkt; den weißen und edleren Men-<lb/>
&#x017F;chen hat er alle Ungla&#x0364;ubige zu Sklaven<lb/>
zu machen, pontificali&#x017F;ch erlaubet. Mit<lb/>
un&#x017F;ern Bullen kommen wir zu &#x017F;pa&#x0364;t. Der<lb/>
Kaki&#x017F;tokratismus behauptet prakti&#x017F;ch &#x017F;eine<lb/>
Rechte, ohne daß wir ihn dazu theoreti&#x017F;ch<lb/>
bevollma&#x0364;chtigen und deßhalb die Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Men&#x017F;chheit umkehren mu&#x0364;ßten. Aeußerte<lb/>
z. B. jemand die Meinung, daß &#x201E;wenn<lb/>
erwie&#x017F;en werden <hi rendition="#g">kann</hi>, daß ohne Neger<lb/>
keine Kaffee- Zucker- Reis- und Tobacks-<lb/>
pflanzungen be&#x017F;tehen <hi rendition="#g">ko&#x0364;nnen</hi>, &#x017F;o &#x017F;ei zu-<lb/>
gleich die <hi rendition="#g">Rechtma&#x0364;ßigkeit</hi> des Neger-<lb/>
handels bewie&#x017F;en, indem die&#x017F;er Handel<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0079] Grundſaͤtze zu veranlaſſen, ihnen die groͤ- ßeſte Pflicht. Um ſchwarze Thaten, wilde Neigungen zu rechtfertigen ſtuͤtzt man ſich gern auf verachtende Urtheile uͤber andre Voͤlker. Pabſt Niklas der fuͤnfte hat, (es iſt ſchon lange) die unbekannte Welt verſchenkt; den weißen und edleren Men- ſchen hat er alle Unglaͤubige zu Sklaven zu machen, pontificaliſch erlaubet. Mit unſern Bullen kommen wir zu ſpaͤt. Der Kakiſtokratismus behauptet praktiſch ſeine Rechte, ohne daß wir ihn dazu theoretiſch bevollmaͤchtigen und deßhalb die Geſchichte der Menſchheit umkehren muͤßten. Aeußerte z. B. jemand die Meinung, daß „wenn erwieſen werden kann, daß ohne Neger keine Kaffee- Zucker- Reis- und Tobacks- pflanzungen beſtehen koͤnnen, ſo ſei zu- gleich die Rechtmaͤßigkeit des Neger- handels bewieſen, indem dieſer Handel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/79
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/79>, abgerufen am 21.11.2024.