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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

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Erstes Wäldchen.
gen alle die ganze Dauer der Folge hindurch sich
stets gleichförmig sind. Handlungen, die in Einen
Zeitpunkt zusammenlaufen: vielmehr bekannte als
unbekannte Handlungen -- Man sieht, daß von die-
ser Seite betrachtet, Lessings Laokoon nicht vollen-
det sey, da er überhaupt mehr für den Dichter, als
Maler, geschrieben. --

Gegenstände der Tonkunst: Dinge und
Vorfallenheiten, die vorzüglich durch Bewegung
und Töne ausgedrückt werden können: diese sind al-
lerlei Bewegungen, Töne, Stimmen, Leidenschaf-
ten durch Töne u. s. w.

Gegenstände der Poesie sind die Objekte
beider vorigen Künste. Zuerst, so fern sie durch na-
türliche
Mittel nachgeahmet werden. Hier war
leicht zu erachten, daß die Poesie der Malerei nach-
bleiben müsse: denn alles lief dahinaus, daß Worte
keine Farben, und der Mund kein Pinsel sey. Auch
das ist mir befremdend, wie hier die Poesie der Ton-
kunst an natürlichen Tönen gleichkommen könne:
Kurz! die Vergleichung ist übel gerathen. Durch
bedeutende Worte, als durch willkührliche ver-
abredete Zeichen,
und dies sollte eigentlich der
Punkt der Lessingschen Vergleichung seyn.

Jn den eigentlichen Gegenständen der Malerei
(d. i. die durch Farben, Figuren, und Stellungen
charakterisirt sind -- deren vollständige Einsicht
nicht von einer Folge der Begebenheiten abhängt --

wenig-

Erſtes Waͤldchen.
gen alle die ganze Dauer der Folge hindurch ſich
ſtets gleichfoͤrmig ſind. Handlungen, die in Einen
Zeitpunkt zuſammenlaufen: vielmehr bekannte als
unbekannte Handlungen — Man ſieht, daß von die-
ſer Seite betrachtet, Leſſings Laokoon nicht vollen-
det ſey, da er uͤberhaupt mehr fuͤr den Dichter, als
Maler, geſchrieben. —

Gegenſtaͤnde der Tonkunſt: Dinge und
Vorfallenheiten, die vorzuͤglich durch Bewegung
und Toͤne ausgedruͤckt werden koͤnnen: dieſe ſind al-
lerlei Bewegungen, Toͤne, Stimmen, Leidenſchaf-
ten durch Toͤne u. ſ. w.

Gegenſtaͤnde der Poeſie ſind die Objekte
beider vorigen Kuͤnſte. Zuerſt, ſo fern ſie durch na-
tuͤrliche
Mittel nachgeahmet werden. Hier war
leicht zu erachten, daß die Poeſie der Malerei nach-
bleiben muͤſſe: denn alles lief dahinaus, daß Worte
keine Farben, und der Mund kein Pinſel ſey. Auch
das iſt mir befremdend, wie hier die Poeſie der Ton-
kunſt an natuͤrlichen Toͤnen gleichkommen koͤnne:
Kurz! die Vergleichung iſt uͤbel gerathen. Durch
bedeutende Worte, als durch willkuͤhrliche ver-
abredete Zeichen,
und dies ſollte eigentlich der
Punkt der Leſſingſchen Vergleichung ſeyn.

Jn den eigentlichen Gegenſtaͤnden der Malerei
(d. i. die durch Farben, Figuren, und Stellungen
charakteriſirt ſind — deren vollſtaͤndige Einſicht
nicht von einer Folge der Begebenheiten abhaͤngt —

wenig-
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[235/0241] Erſtes Waͤldchen. gen alle die ganze Dauer der Folge hindurch ſich ſtets gleichfoͤrmig ſind. Handlungen, die in Einen Zeitpunkt zuſammenlaufen: vielmehr bekannte als unbekannte Handlungen — Man ſieht, daß von die- ſer Seite betrachtet, Leſſings Laokoon nicht vollen- det ſey, da er uͤberhaupt mehr fuͤr den Dichter, als Maler, geſchrieben. — Gegenſtaͤnde der Tonkunſt: Dinge und Vorfallenheiten, die vorzuͤglich durch Bewegung und Toͤne ausgedruͤckt werden koͤnnen: dieſe ſind al- lerlei Bewegungen, Toͤne, Stimmen, Leidenſchaf- ten durch Toͤne u. ſ. w. Gegenſtaͤnde der Poeſie ſind die Objekte beider vorigen Kuͤnſte. Zuerſt, ſo fern ſie durch na- tuͤrliche Mittel nachgeahmet werden. Hier war leicht zu erachten, daß die Poeſie der Malerei nach- bleiben muͤſſe: denn alles lief dahinaus, daß Worte keine Farben, und der Mund kein Pinſel ſey. Auch das iſt mir befremdend, wie hier die Poeſie der Ton- kunſt an natuͤrlichen Toͤnen gleichkommen koͤnne: Kurz! die Vergleichung iſt uͤbel gerathen. Durch bedeutende Worte, als durch willkuͤhrliche ver- abredete Zeichen, und dies ſollte eigentlich der Punkt der Leſſingſchen Vergleichung ſeyn. Jn den eigentlichen Gegenſtaͤnden der Malerei (d. i. die durch Farben, Figuren, und Stellungen charakteriſirt ſind — deren vollſtaͤndige Einſicht nicht von einer Folge der Begebenheiten abhaͤngt — wenig-

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/241>, abgerufen am 27.11.2024.