[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. fällt, haben viele Leser mit Recht gemuthmaßet, erkenne denselben vielleicht nur noch aus dem ersten flüchtigen Durchlaufe, den er, wie er uns selbst mit der liebenswürdigsten Offenherzigkeit erzählt a), ein- mal mit seinem Stubenburschen in 24 Tagen durch den ganzen Homer hin angestellet, um nur ohnge- fähr etwas von der Form des ganzen Werks zu wis- sen, und sich eine Copiam vocabulorum anzuschaf- fen. Nun kann dies freilich noch nicht heißen Ho- mer in Homers Sinne lesen, und es scheint aus diesem flüchtigen Durchzuge ihm manches aus Ho- mer entwischet zu seyn, manches aber sich in ihm angeklebet zu haben, was nur Er so bemerket. Künftig kann ich davon mehr Proben geben; jetzt wiederhole ichs von Thersites. Wie ich ihn kenne, ist er nicht da, um lächerlich zu seyn, um uns die Schleppe zu zerreißen, um uns zum ungeziemenden unartigen Lachen zu bringen. Noch ist er da, um blos a) Hortabatur vero idem (Baumeisterus) me in- primis ad studium graecarum litterarum, qua- rum in me erat levis cognitio. Hinc vna cum Neomanno, aequali et familiari meo, divina Ho- meri carmina non tam legi, quam deuoraui, vt intra viginti circiter quatuor dierum spatium omnia perlegeremus. Fuit enim tum nobis il- lud tantum modo propositum, vt formam ali- quam magni opetis et speciem animo informa- remus atque verborum nobis compararemus co- piam. In praef. Eleg. p. 8. R
Erſtes Waͤldchen. faͤllt, haben viele Leſer mit Recht gemuthmaßet, erkenne denſelben vielleicht nur noch aus dem erſten fluͤchtigen Durchlaufe, den er, wie er uns ſelbſt mit der liebenswuͤrdigſten Offenherzigkeit erzaͤhlt a), ein- mal mit ſeinem Stubenburſchen in 24 Tagen durch den ganzen Homer hin angeſtellet, um nur ohnge- faͤhr etwas von der Form des ganzen Werks zu wiſ- ſen, und ſich eine Copiam vocabulorum anzuſchaf- fen. Nun kann dies freilich noch nicht heißen Ho- mer in Homers Sinne leſen, und es ſcheint aus dieſem fluͤchtigen Durchzuge ihm manches aus Ho- mer entwiſchet zu ſeyn, manches aber ſich in ihm angeklebet zu haben, was nur Er ſo bemerket. Kuͤnftig kann ich davon mehr Proben geben; jetzt wiederhole ichs von Therſites. Wie ich ihn kenne, iſt er nicht da, um laͤcherlich zu ſeyn, um uns die Schleppe zu zerreißen, um uns zum ungeziemenden unartigen Lachen zu bringen. Noch iſt er da, um blos a) Hortabatur vero idem (Baumeiſterus) me in- primis ad ſtudium graecarum litterarum, qua- rum in me erat levis cognitio. Hinc vna cum Neomanno, aequali et familiari meo, divina Ho- meri carmina non tam legi, quam deuoraui, vt intra viginti circiter quatuor dierum ſpatium omnia perlegeremus. Fuit enim tum nobis il- lud tantum modo propoſitum, vt formam ali- quam magni opetis et ſpeciem animo informa- remus atque verborum nobis compararemus co- piam. In praef. Eleg. p. 8. R
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0263" n="257"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſtes Waͤldchen.</hi></fw><lb/> faͤllt, haben viele Leſer mit Recht gemuthmaßet, er<lb/> kenne denſelben vielleicht nur noch aus dem erſten<lb/> fluͤchtigen Durchlaufe, den er, wie er uns ſelbſt mit<lb/> der liebenswuͤrdigſten Offenherzigkeit erzaͤhlt <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Hortabatur vero idem (Baumeiſterus) me in-<lb/> primis ad ſtudium graecarum litterarum, qua-<lb/> rum in me erat <hi rendition="#i">levis cognitio.</hi> Hinc vna cum<lb/> Neomanno, aequali et familiari meo, divina Ho-<lb/> meri carmina non tam legi, quam deuoraui, vt<lb/> intra viginti circiter quatuor dierum ſpatium<lb/> omnia perlegeremus. Fuit enim tum nobis il-<lb/> lud tantum modo propoſitum, vt formam <hi rendition="#i">ali-<lb/> quam</hi> magni opetis et <hi rendition="#i">ſpeciem</hi> animo informa-<lb/> remus atque <hi rendition="#i">verborum nobis compararemus co-<lb/> piam.</hi> In praef. Eleg. p.</hi> 8.</note>, ein-<lb/> mal mit ſeinem Stubenburſchen in 24 Tagen durch<lb/> den ganzen Homer hin angeſtellet, um nur ohnge-<lb/> faͤhr etwas von der Form des ganzen Werks zu wiſ-<lb/> ſen, und ſich eine <hi rendition="#aq">Copiam vocabulorum</hi> anzuſchaf-<lb/> fen. Nun kann dies freilich noch nicht heißen <hi rendition="#fr">Ho-<lb/> mer in Homers Sinne</hi> leſen, und es ſcheint aus<lb/> dieſem fluͤchtigen Durchzuge ihm manches aus Ho-<lb/> mer entwiſchet zu ſeyn, manches aber ſich in ihm<lb/> angeklebet zu haben, was nur Er ſo bemerket.<lb/> Kuͤnftig kann ich davon mehr Proben geben; jetzt<lb/> wiederhole ichs von Therſites. Wie ich ihn kenne,<lb/> iſt er nicht da, um laͤcherlich zu ſeyn, um uns die<lb/> Schleppe zu zerreißen, um uns zum ungeziemenden<lb/> unartigen Lachen zu bringen. Noch iſt er da, um<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R</fw><fw place="bottom" type="catch">blos</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [257/0263]
Erſtes Waͤldchen.
faͤllt, haben viele Leſer mit Recht gemuthmaßet, er
kenne denſelben vielleicht nur noch aus dem erſten
fluͤchtigen Durchlaufe, den er, wie er uns ſelbſt mit
der liebenswuͤrdigſten Offenherzigkeit erzaͤhlt a), ein-
mal mit ſeinem Stubenburſchen in 24 Tagen durch
den ganzen Homer hin angeſtellet, um nur ohnge-
faͤhr etwas von der Form des ganzen Werks zu wiſ-
ſen, und ſich eine Copiam vocabulorum anzuſchaf-
fen. Nun kann dies freilich noch nicht heißen Ho-
mer in Homers Sinne leſen, und es ſcheint aus
dieſem fluͤchtigen Durchzuge ihm manches aus Ho-
mer entwiſchet zu ſeyn, manches aber ſich in ihm
angeklebet zu haben, was nur Er ſo bemerket.
Kuͤnftig kann ich davon mehr Proben geben; jetzt
wiederhole ichs von Therſites. Wie ich ihn kenne,
iſt er nicht da, um laͤcherlich zu ſeyn, um uns die
Schleppe zu zerreißen, um uns zum ungeziemenden
unartigen Lachen zu bringen. Noch iſt er da, um
blos
a) Hortabatur vero idem (Baumeiſterus) me in-
primis ad ſtudium graecarum litterarum, qua-
rum in me erat levis cognitio. Hinc vna cum
Neomanno, aequali et familiari meo, divina Ho-
meri carmina non tam legi, quam deuoraui, vt
intra viginti circiter quatuor dierum ſpatium
omnia perlegeremus. Fuit enim tum nobis il-
lud tantum modo propoſitum, vt formam ali-
quam magni opetis et ſpeciem animo informa-
remus atque verborum nobis compararemus co-
piam. In praef. Eleg. p. 8.
R
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |