Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. teln zu einem Lexicon der Wortwürde damaliger Zeit,kaum! Kein Theil der Sprache hängt so sehr von Nebenbegriffen des Gebrauchs, vom Eigensinne der Mode ab, als dieser: und in meinem Autor finde ich so wenig Materialien zu einem Wörterbuche der Sprachwürde über Virgil: so wenig Virgil ein Lexicon der Liebe geben wollen. Ueberdem was thuts zur Schamhaftigkeit Virgils, ob er stercus oder fimus gesagt a); ob er das vomere genannt, oder noch ekler umschrieben. Was thuts zur Scham- haftigkeit Virgils, wie fein und schlüpfrig er hier und da das Wort Liebe verhöflichet, wenn nicht be- wiesen wird, daß in den Vorstellungen selbst hier nichts, als Züchtiges, enthalten sey, und das alles in Virgil, als dem Römer. Jn Virgil, als dem Römer. Denn hätte folgen a) 268. 69. M 3
Zweites Waͤldchen. teln zu einem Lexicon der Wortwuͤrde damaliger Zeit,kaum! Kein Theil der Sprache haͤngt ſo ſehr von Nebenbegriffen des Gebrauchs, vom Eigenſinne der Mode ab, als dieſer: und in meinem Autor finde ich ſo wenig Materialien zu einem Woͤrterbuche der Sprachwuͤrde uͤber Virgil: ſo wenig Virgil ein Lexicon der Liebe geben wollen. Ueberdem was thuts zur Schamhaftigkeit Virgils, ob er ſtercus oder fimus geſagt a); ob er das vomere genannt, oder noch ekler umſchrieben. Was thuts zur Scham- haftigkeit Virgils, wie fein und ſchluͤpfrig er hier und da das Wort Liebe verhoͤflichet, wenn nicht be- wieſen wird, daß in den Vorſtellungen ſelbſt hier nichts, als Zuͤchtiges, enthalten ſey, und das alles in Virgil, als dem Roͤmer. Jn Virgil, als dem Roͤmer. Denn haͤtte folgen a) 268. 69. M 3
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Zweites Waͤldchen.
teln zu einem Lexicon der Wortwuͤrde damaliger Zeit,
kaum! Kein Theil der Sprache haͤngt ſo ſehr von
Nebenbegriffen des Gebrauchs, vom Eigenſinne der
Mode ab, als dieſer: und in meinem Autor finde
ich ſo wenig Materialien zu einem Woͤrterbuche der
Sprachwuͤrde uͤber Virgil: ſo wenig Virgil
ein Lexicon der Liebe geben wollen. Ueberdem was
thuts zur Schamhaftigkeit Virgils, ob er ſtercus
oder fimus geſagt a); ob er das vomere genannt,
oder noch ekler umſchrieben. Was thuts zur Scham-
haftigkeit Virgils, wie fein und ſchluͤpfrig er hier
und da das Wort Liebe verhoͤflichet, wenn nicht be-
wieſen wird, daß in den Vorſtellungen ſelbſt hier
nichts, als Zuͤchtiges, enthalten ſey, und das alles
in Virgil, als dem Roͤmer.
Jn Virgil, als dem Roͤmer. Denn haͤtte
deſſen Beſcheidenheit nicht darnach beſtimmt wer-
den ſollen, was fuͤr ein Geiſt der Schamhaftigkeit,
nach Sprache, Verfaſſung, Lebensart und Empfin-
dung, ſich einmal unter den Roͤmern formirt und
gebildet? was fuͤr Eindruͤcke, beſonders dem
Schriftſtellerpublicum der Roͤmer, ihre erſte
Schriftſteller und Dichter gegeben? wie weit dieſe
Decenz den Griechen gefolget, oder ſich von ihnen
abgelenket? wie hoch ſie zur Zeit Virgils geweſen?
wo er das Muſter der Griechen befolget, oder verlaſ-
ſen? wo muthmaßlich verlaſſen muͤſſen, wo nachzu-
folgen
a) 268. 69.
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