Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. merhin! wenn es nur hier nicht unwahrscheinlich,unpoetisch, der Jllusion entgegen ist; befördert es diese -- vortrefflich! Hr. Kl. tadelt die größesten Dichter; ich entschuldige einige, und rette sie aus ihrer Zeit; andre lobe ich, und könnte eine Abhand- lung geben: "von der vortrefflichen Wirkung frem- "der Religionsideen in einem christlichen Gedich- "te!" Hr. Kl. erlaubt die Mythologie nirgends, als wo sie aus dem gradu ad Parnassum geborgt, eine Blumenlese poetischer Phrases ohne mythologi- schen Sinn sey; ich warne vor nichts so sehr, als vor solcher sinnlosen Mythologie, vor solchem mytho- logischen Unsinne! Hr. Kl. hat fromm und christ- lich geschrieben; ich wünschte, als Kunstrichter der Poesie, gründlich, und nach dem Gefühle poetischer Leser geurtheilt zu haben. So gehe ich über diese Materie mit Hrn. Kl. aus einander. 7. War sie aber so langer Untersuchung werth? Der
Kritiſche Waͤlder. merhin! wenn es nur hier nicht unwahrſcheinlich,unpoetiſch, der Jlluſion entgegen iſt; befoͤrdert es dieſe — vortrefflich! Hr. Kl. tadelt die groͤßeſten Dichter; ich entſchuldige einige, und rette ſie aus ihrer Zeit; andre lobe ich, und koͤnnte eine Abhand- lung geben: „von der vortrefflichen Wirkung frem- „der Religionsideen in einem chriſtlichen Gedich- „te!„ Hr. Kl. erlaubt die Mythologie nirgends, als wo ſie aus dem gradu ad Parnaſſum geborgt, eine Blumenleſe poetiſcher Phraſes ohne mythologi- ſchen Sinn ſey; ich warne vor nichts ſo ſehr, als vor ſolcher ſinnloſen Mythologie, vor ſolchem mytho- logiſchen Unſinne! Hr. Kl. hat fromm und chriſt- lich geſchrieben; ich wuͤnſchte, als Kunſtrichter der Poeſie, gruͤndlich, und nach dem Gefuͤhle poetiſcher Leſer geurtheilt zu haben. So gehe ich uͤber dieſe Materie mit Hrn. Kl. aus einander. 7. War ſie aber ſo langer Unterſuchung werth? Der
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Kritiſche Waͤlder.
merhin! wenn es nur hier nicht unwahrſcheinlich,
unpoetiſch, der Jlluſion entgegen iſt; befoͤrdert es
dieſe — vortrefflich! Hr. Kl. tadelt die groͤßeſten
Dichter; ich entſchuldige einige, und rette ſie aus
ihrer Zeit; andre lobe ich, und koͤnnte eine Abhand-
lung geben: „von der vortrefflichen Wirkung frem-
„der Religionsideen in einem chriſtlichen Gedich-
„te!„ Hr. Kl. erlaubt die Mythologie nirgends,
als wo ſie aus dem gradu ad Parnaſſum geborgt,
eine Blumenleſe poetiſcher Phraſes ohne mythologi-
ſchen Sinn ſey; ich warne vor nichts ſo ſehr, als
vor ſolcher ſinnloſen Mythologie, vor ſolchem mytho-
logiſchen Unſinne! Hr. Kl. hat fromm und chriſt-
lich geſchrieben; ich wuͤnſchte, als Kunſtrichter der
Poeſie, gruͤndlich, und nach dem Gefuͤhle poetiſcher
Leſer geurtheilt zu haben. So gehe ich uͤber dieſe
Materie mit Hrn. Kl. aus einander.
7.
War ſie aber ſo langer Unterſuchung werth?
Jch glaube: denn welchen bethlehemitiſchen Kin-
dermord wuͤrde Hrn. Kl. Verbot in dem Erhaben-
ſten unſrer geiſtlichen Dichter ſtiften! und unſre
geiſtlichen Dichter (eine Gattung Poeſie, in welcher
wir Deutſche nur den Britten nachſtehen) ſind die
Ehre unſrer Nation.
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