Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Wäldchen.
seines Gottes: er legt seinen ganzen Gesang schon
von ferne auf diese erhabne Pflicht an: er predigt
ihm die Wohlthaten, die Apollo um seine Väter,
und die Lehnsherrschaft, die er über Cyrene habe:
hiezu und zu nichts weiter läßt er die Stimme der
alten Weissagung, und die Geschichte der Argo-
nauten und Battiaden reden: hiezu lenkt er bei
dem Vorbilde der Weisheit des Oedipus zurück,
und gibt dem Könige im erhabensten Tone die be-
sten Weisheitslehren zur Gelindigkeit und Weis-
heit, sein Volk zu regieren. Hiezu nimmt er zu-
letzt für den unschuldig vertriebenen, klugen, auf-
richtigen, vom Vaterlande bedaureten Demophilus
das Wort, und kommt, da er für diesen im Na-
men so vieler spricht, dem Herzen des Königs am
nächsten. -- -- Ein weiser Gesang! nichts ist
in ihm unnütz: nichts da, um vierzige von Stro-
phen auszufüllen: nichts da, um doch bei einem
so unfruchtbaren Thema etwas zu sagen: nichts
da, um Pindarisch zu rasen -- nein! ein so
individueller, griechischer und cyrenaischer Ge-
sang, so ganz für Arcesilaus gesungen, so weise
darauf angelegt, was ihm gesagt werden sollte:
so pythisch, so pindarisch -- daß ich zum Kon-
trast nichts als die Klotzischen Worte a) zuschrei-
ben darf: Quid est longe a re proposita digredi,
aut omittere potius eam, si hoc non est?
Wie,

wenn
a) p. 126.
J 3

Drittes Waͤldchen.
ſeines Gottes: er legt ſeinen ganzen Geſang ſchon
von ferne auf dieſe erhabne Pflicht an: er predigt
ihm die Wohlthaten, die Apollo um ſeine Vaͤter,
und die Lehnsherrſchaft, die er uͤber Cyrene habe:
hiezu und zu nichts weiter laͤßt er die Stimme der
alten Weiſſagung, und die Geſchichte der Argo-
nauten und Battiaden reden: hiezu lenkt er bei
dem Vorbilde der Weisheit des Oedipus zuruͤck,
und gibt dem Koͤnige im erhabenſten Tone die be-
ſten Weisheitslehren zur Gelindigkeit und Weis-
heit, ſein Volk zu regieren. Hiezu nimmt er zu-
letzt fuͤr den unſchuldig vertriebenen, klugen, auf-
richtigen, vom Vaterlande bedaureten Demophilus
das Wort, und kommt, da er fuͤr dieſen im Na-
men ſo vieler ſpricht, dem Herzen des Koͤnigs am
naͤchſten. — — Ein weiſer Geſang! nichts iſt
in ihm unnuͤtz: nichts da, um vierzige von Stro-
phen auszufuͤllen: nichts da, um doch bei einem
ſo unfruchtbaren Thema etwas zu ſagen: nichts
da, um Pindariſch zu raſen — nein! ein ſo
individueller, griechiſcher und cyrenaiſcher Ge-
ſang, ſo ganz fuͤr Arceſilaus geſungen, ſo weiſe
darauf angelegt, was ihm geſagt werden ſollte:
ſo pythiſch, ſo pindariſch — daß ich zum Kon-
traſt nichts als die Klotziſchen Worte a) zuſchrei-
ben darf: Quid eſt longe a re propoſita digredi,
aut omittere potius eam, ſi hoc non eſt?
Wie,

wenn
a) p. 126.
J 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0139" n="133"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;eines Gottes: er legt &#x017F;einen ganzen Ge&#x017F;ang &#x017F;chon<lb/>
von ferne auf die&#x017F;e erhabne Pflicht an: er predigt<lb/>
ihm die Wohlthaten, die Apollo um &#x017F;eine Va&#x0364;ter,<lb/>
und die Lehnsherr&#x017F;chaft, die er u&#x0364;ber Cyrene habe:<lb/>
hiezu und zu nichts weiter la&#x0364;ßt er die Stimme der<lb/>
alten Wei&#x017F;&#x017F;agung, und die Ge&#x017F;chichte der Argo-<lb/>
nauten und Battiaden reden: hiezu lenkt er bei<lb/>
dem Vorbilde der Weisheit des Oedipus zuru&#x0364;ck,<lb/>
und gibt dem Ko&#x0364;nige im erhaben&#x017F;ten Tone die be-<lb/>
&#x017F;ten Weisheitslehren zur Gelindigkeit und Weis-<lb/>
heit, &#x017F;ein Volk zu regieren. Hiezu nimmt er zu-<lb/>
letzt fu&#x0364;r den un&#x017F;chuldig vertriebenen, klugen, auf-<lb/>
richtigen, vom Vaterlande bedaureten Demophilus<lb/>
das Wort, und kommt, da er fu&#x0364;r die&#x017F;en im Na-<lb/>
men &#x017F;o vieler &#x017F;pricht, dem Herzen des Ko&#x0364;nigs am<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten. &#x2014; &#x2014; Ein wei&#x017F;er Ge&#x017F;ang! nichts i&#x017F;t<lb/>
in ihm unnu&#x0364;tz: nichts da, um vierzige von Stro-<lb/>
phen auszufu&#x0364;llen: nichts da, um doch bei einem<lb/>
&#x017F;o unfruchtbaren Thema etwas zu &#x017F;agen: nichts<lb/>
da, um Pindari&#x017F;ch zu ra&#x017F;en &#x2014; nein! ein &#x017F;o<lb/>
individueller, griechi&#x017F;cher und cyrenai&#x017F;cher Ge-<lb/>
&#x017F;ang, &#x017F;o ganz fu&#x0364;r Arce&#x017F;ilaus ge&#x017F;ungen, &#x017F;o wei&#x017F;e<lb/>
darauf angelegt, was ihm ge&#x017F;agt werden &#x017F;ollte:<lb/>
&#x017F;o pythi&#x017F;ch, &#x017F;o pindari&#x017F;ch &#x2014; daß ich zum Kon-<lb/>
tra&#x017F;t nichts als die Klotzi&#x017F;chen Worte <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 126.</note> zu&#x017F;chrei-<lb/>
ben darf: <hi rendition="#aq">Quid e&#x017F;t longe a re propo&#x017F;ita digredi,<lb/>
aut omittere potius eam, &#x017F;i hoc non e&#x017F;t?</hi> Wie,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0139] Drittes Waͤldchen. ſeines Gottes: er legt ſeinen ganzen Geſang ſchon von ferne auf dieſe erhabne Pflicht an: er predigt ihm die Wohlthaten, die Apollo um ſeine Vaͤter, und die Lehnsherrſchaft, die er uͤber Cyrene habe: hiezu und zu nichts weiter laͤßt er die Stimme der alten Weiſſagung, und die Geſchichte der Argo- nauten und Battiaden reden: hiezu lenkt er bei dem Vorbilde der Weisheit des Oedipus zuruͤck, und gibt dem Koͤnige im erhabenſten Tone die be- ſten Weisheitslehren zur Gelindigkeit und Weis- heit, ſein Volk zu regieren. Hiezu nimmt er zu- letzt fuͤr den unſchuldig vertriebenen, klugen, auf- richtigen, vom Vaterlande bedaureten Demophilus das Wort, und kommt, da er fuͤr dieſen im Na- men ſo vieler ſpricht, dem Herzen des Koͤnigs am naͤchſten. — — Ein weiſer Geſang! nichts iſt in ihm unnuͤtz: nichts da, um vierzige von Stro- phen auszufuͤllen: nichts da, um doch bei einem ſo unfruchtbaren Thema etwas zu ſagen: nichts da, um Pindariſch zu raſen — nein! ein ſo individueller, griechiſcher und cyrenaiſcher Ge- ſang, ſo ganz fuͤr Arceſilaus geſungen, ſo weiſe darauf angelegt, was ihm geſagt werden ſollte: ſo pythiſch, ſo pindariſch — daß ich zum Kon- traſt nichts als die Klotziſchen Worte a) zuſchrei- ben darf: Quid eſt longe a re propoſita digredi, aut omittere potius eam, ſi hoc non eſt? Wie, wenn a) p. 126. J 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/139
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/139>, abgerufen am 04.12.2024.