Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Wäldchen.
sen, da die an sich mittelmäßigen und oft schlech-
ten Gedichte des Verf. nie einen Dichter der er-
sten Größe zu errathen gegeben. Noch wenigern
wird je das sehnliche Verlangen, die fodernde Un-
geduld angekommen seyn, an einem jungen Schrift-
steller, der noch nicht korrekt schreibt, und immer
zwischen Prose und Poesie schwankt, einen deutschen
Horaz zu erwarten. Gnug aber! Hr Klotz. sagts,
und wer die Erklärung wünscht, sehe die süße
Zuschrift der homerischen Briefe.

Johann Winkelmanns Geschichte der
Kunst
a): ohne Anmerkungen und eigne Gedan-
ken in klotzisches Latein hingegossen und ausgespü-
let -- seliger Winkelmann! wo schwebt dein Geist
über diesen Wassern der Sündfluth?

Act. litt. Vol. I. P. IV. Lowth de sacra
poesi Hebraeorum
b): ohne alles critische Urtheil,
mit dem so lange abgelebten Spotte über eine gewisse
Gattung von Theologen begleitet, die Herrn Klotz
wenigstens nicht gränzen -- --

Briefe zur Bildung des Geschmacks an
einen jungen Herrn c). Es ist ein Vergnügen,
wie hier der Gott Stupor die gemeinsten Sachen
in diesen an sich nützlichen, oft aber so seichten und
unvollkommenen Briefen anstaunet, übersetzt,
abschreibt,
und ohne allen Beitrag zur Vervoll-
kommenheit anpreiset. Bei so gemeinnützigen

Hand-
a) [Spaltenumbruch] p. 336.
b) [Spaltenumbruch] p. 403.
c) [Spaltenumbruch] p. 436.
J 4

Drittes Waͤldchen.
ſen, da die an ſich mittelmaͤßigen und oft ſchlech-
ten Gedichte des Verf. nie einen Dichter der er-
ſten Groͤße zu errathen gegeben. Noch wenigern
wird je das ſehnliche Verlangen, die fodernde Un-
geduld angekommen ſeyn, an einem jungen Schrift-
ſteller, der noch nicht korrekt ſchreibt, und immer
zwiſchen Proſe und Poeſie ſchwankt, einen deutſchen
Horaz zu erwarten. Gnug aber! Hr Klotz. ſagts,
und wer die Erklaͤrung wuͤnſcht, ſehe die ſuͤße
Zuſchrift der homeriſchen Briefe.

Johann Winkelmanns Geſchichte der
Kunſt
a): ohne Anmerkungen und eigne Gedan-
ken in klotziſches Latein hingegoſſen und ausgeſpuͤ-
let — ſeliger Winkelmann! wo ſchwebt dein Geiſt
uͤber dieſen Waſſern der Suͤndfluth?

Act. litt. Vol. I. P. IV. Lowth de ſacra
poeſi Hebraeorum
b): ohne alles critiſche Urtheil,
mit dem ſo lange abgelebten Spotte uͤber eine gewiſſe
Gattung von Theologen begleitet, die Herrn Klotz
wenigſtens nicht graͤnzen — —

Briefe zur Bildung des Geſchmacks an
einen jungen Herrn c). Es iſt ein Vergnuͤgen,
wie hier der Gott Stupor die gemeinſten Sachen
in dieſen an ſich nuͤtzlichen, oft aber ſo ſeichten und
unvollkommenen Briefen anſtaunet, uͤberſetzt,
abſchreibt,
und ohne allen Beitrag zur Vervoll-
kommenheit anpreiſet. Bei ſo gemeinnuͤtzigen

Hand-
a) [Spaltenumbruch] p. 336.
b) [Spaltenumbruch] p. 403.
c) [Spaltenumbruch] p. 436.
J 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Drittes Wa&#x0364;ldchen.</hi></fw><lb/>
&#x017F;en, da die an &#x017F;ich mittelma&#x0364;ßigen und oft &#x017F;chlech-<lb/>
ten Gedichte des Verf. nie einen Dichter der er-<lb/>
&#x017F;ten Gro&#x0364;ße zu errathen gegeben. Noch wenigern<lb/>
wird je das &#x017F;ehnliche Verlangen, die fodernde Un-<lb/>
geduld angekommen &#x017F;eyn, an einem jungen Schrift-<lb/>
&#x017F;teller, der noch nicht korrekt &#x017F;chreibt, und immer<lb/>
zwi&#x017F;chen Pro&#x017F;e und Poe&#x017F;ie &#x017F;chwankt, einen deut&#x017F;chen<lb/>
Horaz zu erwarten. Gnug aber! Hr Klotz. &#x017F;agts,<lb/>
und wer die Erkla&#x0364;rung wu&#x0364;n&#x017F;cht, &#x017F;ehe die &#x017F;u&#x0364;ße<lb/>
Zu&#x017F;chrift der homeri&#x017F;chen Briefe.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Johann Winkelmanns Ge&#x017F;chichte der<lb/>
Kun&#x017F;t</hi><note place="foot" n="a)"><cb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 336.</note>: ohne Anmerkungen und eigne Gedan-<lb/>
ken in klotzi&#x017F;ches Latein hingego&#x017F;&#x017F;en und ausge&#x017F;pu&#x0364;-<lb/>
let &#x2014; &#x017F;eliger Winkelmann! wo &#x017F;chwebt dein Gei&#x017F;t<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;ern der Su&#x0364;ndfluth?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Act. litt. Vol. I. P. IV.</hi> Lowth de &#x017F;acra<lb/>
poe&#x017F;i Hebraeorum</hi><note place="foot" n="b)"><cb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 403.</note>: ohne alles criti&#x017F;che Urtheil,<lb/>
mit dem &#x017F;o lange abgelebten Spotte u&#x0364;ber eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Gattung von Theologen begleitet, die Herrn Klotz<lb/>
wenig&#x017F;tens nicht gra&#x0364;nzen &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Briefe zur Bildung des Ge&#x017F;chmacks</hi> an<lb/>
einen jungen Herrn <note place="foot" n="c)"><cb/><hi rendition="#aq">p.</hi> 436.</note>. Es i&#x017F;t ein Vergnu&#x0364;gen,<lb/>
wie hier der Gott Stupor die gemein&#x017F;ten Sachen<lb/>
in die&#x017F;en an &#x017F;ich nu&#x0364;tzlichen, oft aber &#x017F;o &#x017F;eichten und<lb/>
unvollkommenen Briefen <hi rendition="#fr">an&#x017F;taunet, u&#x0364;ber&#x017F;etzt,<lb/>
ab&#x017F;chreibt,</hi> und ohne allen Beitrag zur Vervoll-<lb/>
kommenheit <hi rendition="#fr">anprei&#x017F;et.</hi> Bei &#x017F;o gemeinnu&#x0364;tzigen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Hand-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0141] Drittes Waͤldchen. ſen, da die an ſich mittelmaͤßigen und oft ſchlech- ten Gedichte des Verf. nie einen Dichter der er- ſten Groͤße zu errathen gegeben. Noch wenigern wird je das ſehnliche Verlangen, die fodernde Un- geduld angekommen ſeyn, an einem jungen Schrift- ſteller, der noch nicht korrekt ſchreibt, und immer zwiſchen Proſe und Poeſie ſchwankt, einen deutſchen Horaz zu erwarten. Gnug aber! Hr Klotz. ſagts, und wer die Erklaͤrung wuͤnſcht, ſehe die ſuͤße Zuſchrift der homeriſchen Briefe. Johann Winkelmanns Geſchichte der Kunſt a): ohne Anmerkungen und eigne Gedan- ken in klotziſches Latein hingegoſſen und ausgeſpuͤ- let — ſeliger Winkelmann! wo ſchwebt dein Geiſt uͤber dieſen Waſſern der Suͤndfluth? Act. litt. Vol. I. P. IV. Lowth de ſacra poeſi Hebraeorum b): ohne alles critiſche Urtheil, mit dem ſo lange abgelebten Spotte uͤber eine gewiſſe Gattung von Theologen begleitet, die Herrn Klotz wenigſtens nicht graͤnzen — — Briefe zur Bildung des Geſchmacks an einen jungen Herrn c). Es iſt ein Vergnuͤgen, wie hier der Gott Stupor die gemeinſten Sachen in dieſen an ſich nuͤtzlichen, oft aber ſo ſeichten und unvollkommenen Briefen anſtaunet, uͤberſetzt, abſchreibt, und ohne allen Beitrag zur Vervoll- kommenheit anpreiſet. Bei ſo gemeinnuͤtzigen Hand- a) p. 336. b) p. 403. c) p. 436. J 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/141
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/141>, abgerufen am 04.12.2024.