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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
che, an dem so wohl sein Vater, als Er, Schuld
war, an dem Geiste seines Jahrhunderts, den auch
Karl nicht ändern konnte, an einer Verwicklung
von Zufällen, die nur der kennet, der die Zeit Lud-
wigs studiret. Ludwig wurde ein Opfer dieser
Zeit: daß wir ihm aber neunhundert Jahr nachher
Staatsfehler nachrechnen, die uns nur der Erfolg
von Jahrhunderten gezeigt hat, ist freilich eine
gute Sache, nur ists die Sache des Geschicht-
schreibers?

Aber "nirgends ist ja Hausen nach Hr. Klotz
"mehr in seinem Felde, als wenn er uns Aberglau-
"ben, Dummheit, und Betrug der Pfaffen mahlet".
Ganz gut, wie ich glaube: nur sollte es nicht so
gemein, so schwatzhaft wiederholt, so schielend, und
etwas eigenthümlicher der Zeit seyn, die es gilt.
Aus seinem Lehrstuhle mit einem halb Voltairi-
schen, halb noch Protestantischen Auge, nach dem
Jahrhundert Ludwigs, der Ottonen, und der Hein-
riche hinzielen, kann freilich nichts, als solche Cha-
raktere, geben, wie Hr. Hausen zeichnet, und ohne
Zweifel ists blos schonende Nachsicht gewesen, daß
Häberlin, ein so ganz andrer Mann, der Ge-
schichte, und den Charakteren, das ist, den geschwä-
tzigen Wiederholungen seines Vorgängers vor sei-
ner Geschichte noch Platz gegönnet.

Und das ist der Geschichtschreiber, dessen Cha-
raktere, dessen Anmerkungen über Ludwig, die Ot-

tonen,

Kritiſche Waͤlder.
che, an dem ſo wohl ſein Vater, als Er, Schuld
war, an dem Geiſte ſeines Jahrhunderts, den auch
Karl nicht aͤndern konnte, an einer Verwicklung
von Zufaͤllen, die nur der kennet, der die Zeit Lud-
wigs ſtudiret. Ludwig wurde ein Opfer dieſer
Zeit: daß wir ihm aber neunhundert Jahr nachher
Staatsfehler nachrechnen, die uns nur der Erfolg
von Jahrhunderten gezeigt hat, iſt freilich eine
gute Sache, nur iſts die Sache des Geſchicht-
ſchreibers?

Aber „nirgends iſt ja Hauſen nach Hr. Klotz
„mehr in ſeinem Felde, als wenn er uns Aberglau-
„ben, Dummheit, und Betrug der Pfaffen mahlet„.
Ganz gut, wie ich glaube: nur ſollte es nicht ſo
gemein, ſo ſchwatzhaft wiederholt, ſo ſchielend, und
etwas eigenthuͤmlicher der Zeit ſeyn, die es gilt.
Aus ſeinem Lehrſtuhle mit einem halb Voltairi-
ſchen, halb noch Proteſtantiſchen Auge, nach dem
Jahrhundert Ludwigs, der Ottonen, und der Hein-
riche hinzielen, kann freilich nichts, als ſolche Cha-
raktere, geben, wie Hr. Hauſen zeichnet, und ohne
Zweifel iſts blos ſchonende Nachſicht geweſen, daß
Haͤberlin, ein ſo ganz andrer Mann, der Ge-
ſchichte, und den Charakteren, das iſt, den geſchwaͤ-
tzigen Wiederholungen ſeines Vorgaͤngers vor ſei-
ner Geſchichte noch Platz gegoͤnnet.

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raktere, deſſen Anmerkungen uͤber Ludwig, die Ot-

tonen,
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[148/0154] Kritiſche Waͤlder. che, an dem ſo wohl ſein Vater, als Er, Schuld war, an dem Geiſte ſeines Jahrhunderts, den auch Karl nicht aͤndern konnte, an einer Verwicklung von Zufaͤllen, die nur der kennet, der die Zeit Lud- wigs ſtudiret. Ludwig wurde ein Opfer dieſer Zeit: daß wir ihm aber neunhundert Jahr nachher Staatsfehler nachrechnen, die uns nur der Erfolg von Jahrhunderten gezeigt hat, iſt freilich eine gute Sache, nur iſts die Sache des Geſchicht- ſchreibers? Aber „nirgends iſt ja Hauſen nach Hr. Klotz „mehr in ſeinem Felde, als wenn er uns Aberglau- „ben, Dummheit, und Betrug der Pfaffen mahlet„. Ganz gut, wie ich glaube: nur ſollte es nicht ſo gemein, ſo ſchwatzhaft wiederholt, ſo ſchielend, und etwas eigenthuͤmlicher der Zeit ſeyn, die es gilt. Aus ſeinem Lehrſtuhle mit einem halb Voltairi- ſchen, halb noch Proteſtantiſchen Auge, nach dem Jahrhundert Ludwigs, der Ottonen, und der Hein- riche hinzielen, kann freilich nichts, als ſolche Cha- raktere, geben, wie Hr. Hauſen zeichnet, und ohne Zweifel iſts blos ſchonende Nachſicht geweſen, daß Haͤberlin, ein ſo ganz andrer Mann, der Ge- ſchichte, und den Charakteren, das iſt, den geſchwaͤ- tzigen Wiederholungen ſeines Vorgaͤngers vor ſei- ner Geſchichte noch Platz gegoͤnnet. Und das iſt der Geſchichtſchreiber, deſſen Cha- raktere, deſſen Anmerkungen uͤber Ludwig, die Ot- tonen,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/154>, abgerufen am 17.05.2024.