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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Kritische Wälder.
Er betet seine einförmigen Charaktere so wiederho-
lentlich her, als eine Nonne die Vaterunser ihres
Rosenkranzes: und Häberlin, der nicht hinter her
beten wollte, muß also nur zu Ende der Zeiträume
charakterisiren -- wie viel klüger!

Jn dieser Zeit fängt sich an das heutige Rö-
mische Reich zu bilden. Die große Wasserblase
ist zersprungen: kleinere reißen sich los: und durch
ein wechselndes Zerspringen und Werden ist die
Menge kleiner Fürsten, gleichsam am Rande des
Gefäßes, gesichert. Hauptgesichtspunkt ist also
nicht blos der Reichs-, sondern der deutschen Ge-
schichte überhaupt,
daß man diese allmäliche
Schöpfung
zum heutigen Staatskörper bei je-
der Progression der Umbildung merke, genau
aus Urkunden anmerke, auszeichne.

Einige süße Herren unsers Jahrhunderts haben
sich mit guter Manier von diesem dunkeln und be-
schwerlichen Wege losgezählet, und vornehm zwi-
schen Reichsgeschichte und Geschichte Deutschlands,
zwischen genauen Nachrichten von der jedesmaligen
Staatsverfassung, und zwischen einer schönen Ge-
schichte voll Charaktere und hübscher moralischen
Reflexionen unterschieden. Das Citiren der Ur-
kunden, die veste Bestimmtheit bei jedem Schritte,
das gerade Hinblicken auf Staatskörper u. s. w. ist
eine Pedanterie, die man einem Professor des Staats-
rechts allenfalls verzeihen könne: die Mascove,

Bü-

Kritiſche Waͤlder.
Er betet ſeine einfoͤrmigen Charaktere ſo wiederho-
lentlich her, als eine Nonne die Vaterunſer ihres
Roſenkranzes: und Haͤberlin, der nicht hinter her
beten wollte, muß alſo nur zu Ende der Zeitraͤume
charakteriſiren — wie viel kluͤger!

Jn dieſer Zeit faͤngt ſich an das heutige Roͤ-
miſche Reich zu bilden. Die große Waſſerblaſe
iſt zerſprungen: kleinere reißen ſich los: und durch
ein wechſelndes Zerſpringen und Werden iſt die
Menge kleiner Fuͤrſten, gleichſam am Rande des
Gefaͤßes, geſichert. Hauptgeſichtspunkt iſt alſo
nicht blos der Reichs-, ſondern der deutſchen Ge-
ſchichte uͤberhaupt,
daß man dieſe allmaͤliche
Schoͤpfung
zum heutigen Staatskoͤrper bei je-
der Progreſſion der Umbildung merke, genau
aus Urkunden anmerke, auszeichne.

Einige ſuͤße Herren unſers Jahrhunderts haben
ſich mit guter Manier von dieſem dunkeln und be-
ſchwerlichen Wege losgezaͤhlet, und vornehm zwi-
ſchen Reichsgeſchichte und Geſchichte Deutſchlands,
zwiſchen genauen Nachrichten von der jedesmaligen
Staatsverfaſſung, und zwiſchen einer ſchoͤnen Ge-
ſchichte voll Charaktere und huͤbſcher moraliſchen
Reflexionen unterſchieden. Das Citiren der Ur-
kunden, die veſte Beſtimmtheit bei jedem Schritte,
das gerade Hinblicken auf Staatskoͤrper u. ſ. w. iſt
eine Pedanterie, die man einem Profeſſor des Staats-
rechts allenfalls verzeihen koͤnne: die Mascove,

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[162/0168] Kritiſche Waͤlder. Er betet ſeine einfoͤrmigen Charaktere ſo wiederho- lentlich her, als eine Nonne die Vaterunſer ihres Roſenkranzes: und Haͤberlin, der nicht hinter her beten wollte, muß alſo nur zu Ende der Zeitraͤume charakteriſiren — wie viel kluͤger! Jn dieſer Zeit faͤngt ſich an das heutige Roͤ- miſche Reich zu bilden. Die große Waſſerblaſe iſt zerſprungen: kleinere reißen ſich los: und durch ein wechſelndes Zerſpringen und Werden iſt die Menge kleiner Fuͤrſten, gleichſam am Rande des Gefaͤßes, geſichert. Hauptgeſichtspunkt iſt alſo nicht blos der Reichs-, ſondern der deutſchen Ge- ſchichte uͤberhaupt, daß man dieſe allmaͤliche Schoͤpfung zum heutigen Staatskoͤrper bei je- der Progreſſion der Umbildung merke, genau aus Urkunden anmerke, auszeichne. Einige ſuͤße Herren unſers Jahrhunderts haben ſich mit guter Manier von dieſem dunkeln und be- ſchwerlichen Wege losgezaͤhlet, und vornehm zwi- ſchen Reichsgeſchichte und Geſchichte Deutſchlands, zwiſchen genauen Nachrichten von der jedesmaligen Staatsverfaſſung, und zwiſchen einer ſchoͤnen Ge- ſchichte voll Charaktere und huͤbſcher moraliſchen Reflexionen unterſchieden. Das Citiren der Ur- kunden, die veſte Beſtimmtheit bei jedem Schritte, das gerade Hinblicken auf Staatskoͤrper u. ſ. w. iſt eine Pedanterie, die man einem Profeſſor des Staats- rechts allenfalls verzeihen koͤnne: die Mascove, Buͤ-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/168>, abgerufen am 04.12.2024.