Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Drittes Wäldchen. Mit allem seinen Lesen wird der belesene Leserin seinem Leben nichts Rechts herausbringen. Ein denkender Schriftsteller, der da irrt; und Für wen ich zu frei schreibe, der sage mir: Herr Klotz hat aus Ursachen, die ich nicht ter
Drittes Waͤldchen. Mit allem ſeinen Leſen wird der beleſene Leſerin ſeinem Leben nichts Rechts herausbringen. Ein denkender Schriftſteller, der da irrt; und Fuͤr wen ich zu frei ſchreibe, der ſage mir: Herr Klotz hat aus Urſachen, die ich nicht ter
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Drittes Waͤldchen.
Mit allem ſeinen Leſen wird der beleſene Leſer
in ſeinem Leben nichts Rechts herausbringen.
Ein denkender Schriftſteller, der da irrt; und
ein irrender Schriftſteller, der da denkt; und ein
ſtrauchelnder Schriftſteller, der noch nicht gnug ge-
leſen, aber leſen kann: der nehme Buͤcher in die
Hand; er wird denken, er wird nuͤtzliche und große
Sachen hervordenken: ſein Geiſt wird wachſen.
Aber der Anagnoſte, der da lieſet, um geleſen zu
haben, und citirt, was er nicht geleſen, und mit
allen ſeinen Citationen nichts herausbringt, als
was nicht jeder Halbgelehrte weiß: an dem gebe
man die Hoffnung auf; der flickt ſich einen Rock
von Citationen zuſammen, um ſeine Bloͤße zu
decken. — —
Fuͤr wen ich zu frei ſchreibe, der ſage mir:
was der Stein-Muͤnzen - und Bilder - und Buch-
ſtabenbeleſne Klotz denn bisher mit ſeiner Lecture
Neues geſagt? Wer mit ſo vieler Beleſenheit uͤber
Tyrtaͤus, und Homer, und Virgil, und Horaz,
und den Geſchmack auf Muͤnzen, und den Nutzen
der geſchnittnen Steine nicht mehr ſagt, als Er,
der hat mir nichts geſagt: der ſage Nichts.
Herr Klotz hat aus Urſachen, die ich nicht
weiß, und nicht wiſſen will, den guten Vorſatz ge-
habt, die Lipppertſche Dactyliothek der Welt und
inſonderheit den Schulen anzupreiſen. Es ſei gu-
ter
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